Unberechenbare Sonne, hilflose Erde!
© Tages-Anzeiger; 2000-07-12
Auf der Sonne brodelt es derzeit stärker als sonst. Die Zeit für die Sonnenforscher ist günstig, mehr über den Stern zu erfahren. Weltraumindustrie und Energieversorger sind dafür dankbar. Von Martin Läubli
Vom Bauernhof im aargauischen Weiler Bleien bei Gränichen sind es nur wenige Schritte in den interplanetaren Raum: Im kleinen Containerhäuschen neben der Weide empfangen Computer Signale von der Sonne. Die Verbindung stellt ein sieben Meter grosser Teleskopschirm der ETH Zürich her. Die Bilder auf den Monitoren erinnern an ein buntes Patchwork. ETH-Astrophysiker Arnold Benz zeigt auf einzelne Felder und übersetzt: "Hier empfangen wir niedrige Radiofrequenzen." Sie stammen von der Sonnenkorona und liefern dem Wissenschafter einen detaillierten Einblick in die äusserste Hülle der Sonne.
Die Dienste des Observatoriums sind derzeit besonders gefragt. Denn alle elf Jahre brodelt es auf der Sonne stärker als sonst. In diesem Jahr ist es wieder so weit. Die Zahl der dunklen Sonnenflecken (siehe Grafik) auf der sichtbaren Oberfläche des Sterns, der Photosphäre, hat massiv zugenommen. Das "Sonnenfleckenmaximum" signalisiert den Wissenschaftern, dass mit starken Sonnenstürmen zu rechnen ist. Arnold Benz interessiert dabei, was unser Auge nicht wahrnehmen kann: die Radiosignale, die während der Sonnenstürme ausgesendet und auf der Erde empfangen werden.
Launen der Sonne
Mehrere Millionen Grad heiss ist es in der Sonnenkorona. "In dieser Hitze lösen sich die Elektronen von den Atomkernen", sagt Benz. Materie - Wasserstoff und Helium - zerfällt fast vollständig zu Plasma, zu Elektronen und Protonen. Wo elektrisch geladene Teilchen fliessen, entstehen Magnetfelder. So werden die Partikel von der Photosphäre in gewaltigen elektromagnetischen Bögen in die Korona geschleudert (siehe Bild). "Beschleunigen die Teilchen, werden Radiowellen ausgesendet. Die Frequenz erhöht sich mit der Energie in den Magnetfeldern." Mit dieser Methode suchen Benz und sein Team nach dem Mechanismus, der die Plasmaexplosionen und Massenauswürfe in der Korona auslöst. "In einer Minute wird die Energie von hundert Jahresproduktionen der Schweizer Kraftwerke erzeugt", sagt Benz.
Vor zwei Jahren konnten die ETH-Forscher mit Hilfe von Röntgenbildern des europäisch-amerikanischen Satelliten Soho belegen, dass hauptsächlich kleine Explosionen, so genannte Microflares, die Korona aufheizen. Über 28 000 Blitze pro Sekunde wurden gezählt. Die Wissenschafter vermuten, dass sich die Magnetbögen immer wieder kurz schliessen. Das Sonnenfleckenmaximum in diesem Jahr gibt den Forschern nun Gelegenheit, dem Geheimnis einen Schritt näher zu kommen. "Bei grossen Ausbrüchen ist es einfacher, physikalische Effekte zu erkennen", sagt der ETH-Professor.
Sonnenwissenschafter wie Arnold Benz sind heute längst nicht mehr "nur" Grundlagenforscher. Was sie entdecken, interessiert namentlich die Weltraumindustrie brennend. Denn Satelliten und Weltraumlabors wie die geplante Raumstation ISS sind den Launen der Sonne ausgesetzt. Der Sonnenwind, der uns rund um die Uhr entgegenweht, bestimmt das Weltraumwetter. So ist das Magnetfeld der Erde, wo die künstlichen Himmelskörper um unseren Planeten kreisen, ständig unter Beschuss hoch energetischer Teilchen aus der Korona.
Alle fünf Tage ein Ausbruch
Besonders gefährlich wird es nach einem Massenauswurf: Eine Gaswolke aus Milliarden Tonnen Sonnenmaterie - viel Helium, Eisen, Elektronen und Protonen - erreicht dann innert weniger Tage die knapp 150 Millionen Kilometer entfernte Erde. Die Folgen sind zum Beispiel: Am 17. Januar 1997 meldete der amerikanische Nachrichtensender CNN den Ausfall des Fernsehsatelliten Telstar 401. Wenige Tage zuvor hatte die Raumsonde Soho einen Anstieg der Sonnenwindgeschwindigkeit gemessen - verursacht durch einen Massenauswurf. Eine neue Studie des Meteorologischen Instituts in Helsinki berichtet von 31 elektronischen Störungen bis hin zu Totalausfällen bei Satelliten. Massenauswürfe geschehen im Sonnenmaximum etwa alle fünf, im Minimum alle 45 Tage. Die Nasa lässt keinen ihrer Astronauten für einen Weltraumspaziergang aus dem Space Shuttle, wenn der Verdacht auf Massenausbrüche auf der Sonne besteht.
Polarlichter und magnetische Stürme
Der Sonnenwind hinterlässt auch Spuren auf der Erdoberfläche, vorab in den Polargebieten. "Drückt die Gaswolke auf das Erdmagnetfeld, fliesst elektrischer Strom durch die Atmosphäre zu den Erdpolen", erklärt Rainer Schwenn vom Max-Planck-Institut für Aeronomie in Lindau. Die Experten sprechen von einem geomagnetischen Sturm. Der Effekt sei mit einem Dynamo vergleichbar, sagt Schwenn. "Wird das Magnetfeld verändert, fliesst elektrischer Strom." Im schönsten Fall regen die geladenen Teilchen der Sonne die Atome in der Erdatmosphäre an: Dann leuchten in den Polargebieten Nordlichter. Im April wurden sogar - eine Folge des Sonnenfleckenmaximums - in der Schweiz welche beobachtet. Dramatisch kann es hingegen werden, wenn ein Stromstoss die Energieversorgung trifft. An einem Märztag vor elf Jahren, beim letzten Sonnenfleckenmaximum, hatte die Bevölkerung der kanadischen Stadt Québec während neun Stunden keinen Strom. Geomagnetische Stürme verändern die Ionosphäre. So reagieren Kommunikationssysteme wie etwa der Mobilfunk empfindlich auf Störungen in der äussersten Atmosphäre. Denn Radiowellen passieren die Ionosphäre oder werden an ihr reflektiert.
Weltraumagenturen wie die amerikanische Nasa und die europäische Esa investieren viel Geld, um die Weltraumwettervorhersage zu verbessern. Profitieren wollen etwa auch Energieversorgungs- und Telekommunikationsunternehmen. Nur ist die Wissenschaft erst am Anfang. Heute sei die Qualität der Weltraumwetterprognosen etwa auf dem Stand der irdischen Wettervorhersage vor 50 Jahren, ist in einem Sonderbericht der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft zu lesen.
Ausbrüche voraussagen
Trotzdem scheinen die Sonnenforscher zuversichtlich zu sein. "Wir hoffen, dass wir schon bald einen Plasmaausbruch mehrere Stunden im Voraus prognostizieren können", sagt Rainer Schwenn vom Max-Planck-Institut. Er misst seit vier Jahren mit Hilfe eines UV-Licht-Teleskops auf der Raumsonde Soho, wie sich Gasblasen auf der Sonnenoberfläche grossräumig ausbreiten. "Die wichtigsten Daten haben wir, nun muss das Puzzle noch zusammengesetzt werden". Anhaltspunkte soll ein weiterer Nasa-Satellit, Hessi, liefern. Die Weltraumbehörde plant, ihn im nächsten Frühling in den Weltraum zu schiessen. An Bord ist ein neuartiges Röntgenteleskop, bei dessen Entwicklung Schweizer Physiker am Paul-Scherrer-Institut wesentlich beteiligt waren. "Ziel ist, erstmals die Heizungsmechanismen der Plasmaausbrüche abzubilden, den genauen Ort festzustellen und ihre zeitliche Entwicklung zu verfolgen", sagt Projektleiter Alex Zehnder. Zudem will die Nasa in drei Jahren das Projekt "Stereo" starten. Mit Hilfe zweier Satelliten wollen die Forscher die räumliche Ausbreitung der Gaswolken aufzeichnen.
Auf der Sonne brodelt es derzeit stärker als sonst. Die Zeit für die Sonnenforscher ist günstig, mehr über den Stern zu erfahren. Weltraumindustrie und Energieversorger sind dafür dankbar. Von Martin Läubli
Vom Bauernhof im aargauischen Weiler Bleien bei Gränichen sind es nur wenige Schritte in den interplanetaren Raum: Im kleinen Containerhäuschen neben der Weide empfangen Computer Signale von der Sonne. Die Verbindung stellt ein sieben Meter grosser Teleskopschirm der ETH Zürich her. Die Bilder auf den Monitoren erinnern an ein buntes Patchwork. ETH-Astrophysiker Arnold Benz zeigt auf einzelne Felder und übersetzt: "Hier empfangen wir niedrige Radiofrequenzen." Sie stammen von der Sonnenkorona und liefern dem Wissenschafter einen detaillierten Einblick in die äusserste Hülle der Sonne.
Die Dienste des Observatoriums sind derzeit besonders gefragt. Denn alle elf Jahre brodelt es auf der Sonne stärker als sonst. In diesem Jahr ist es wieder so weit. Die Zahl der dunklen Sonnenflecken (siehe Grafik) auf der sichtbaren Oberfläche des Sterns, der Photosphäre, hat massiv zugenommen. Das "Sonnenfleckenmaximum" signalisiert den Wissenschaftern, dass mit starken Sonnenstürmen zu rechnen ist. Arnold Benz interessiert dabei, was unser Auge nicht wahrnehmen kann: die Radiosignale, die während der Sonnenstürme ausgesendet und auf der Erde empfangen werden.
Launen der Sonne
Mehrere Millionen Grad heiss ist es in der Sonnenkorona. "In dieser Hitze lösen sich die Elektronen von den Atomkernen", sagt Benz. Materie - Wasserstoff und Helium - zerfällt fast vollständig zu Plasma, zu Elektronen und Protonen. Wo elektrisch geladene Teilchen fliessen, entstehen Magnetfelder. So werden die Partikel von der Photosphäre in gewaltigen elektromagnetischen Bögen in die Korona geschleudert (siehe Bild). "Beschleunigen die Teilchen, werden Radiowellen ausgesendet. Die Frequenz erhöht sich mit der Energie in den Magnetfeldern." Mit dieser Methode suchen Benz und sein Team nach dem Mechanismus, der die Plasmaexplosionen und Massenauswürfe in der Korona auslöst. "In einer Minute wird die Energie von hundert Jahresproduktionen der Schweizer Kraftwerke erzeugt", sagt Benz.
Vor zwei Jahren konnten die ETH-Forscher mit Hilfe von Röntgenbildern des europäisch-amerikanischen Satelliten Soho belegen, dass hauptsächlich kleine Explosionen, so genannte Microflares, die Korona aufheizen. Über 28 000 Blitze pro Sekunde wurden gezählt. Die Wissenschafter vermuten, dass sich die Magnetbögen immer wieder kurz schliessen. Das Sonnenfleckenmaximum in diesem Jahr gibt den Forschern nun Gelegenheit, dem Geheimnis einen Schritt näher zu kommen. "Bei grossen Ausbrüchen ist es einfacher, physikalische Effekte zu erkennen", sagt der ETH-Professor.
Sonnenwissenschafter wie Arnold Benz sind heute längst nicht mehr "nur" Grundlagenforscher. Was sie entdecken, interessiert namentlich die Weltraumindustrie brennend. Denn Satelliten und Weltraumlabors wie die geplante Raumstation ISS sind den Launen der Sonne ausgesetzt. Der Sonnenwind, der uns rund um die Uhr entgegenweht, bestimmt das Weltraumwetter. So ist das Magnetfeld der Erde, wo die künstlichen Himmelskörper um unseren Planeten kreisen, ständig unter Beschuss hoch energetischer Teilchen aus der Korona.
Alle fünf Tage ein Ausbruch
Besonders gefährlich wird es nach einem Massenauswurf: Eine Gaswolke aus Milliarden Tonnen Sonnenmaterie - viel Helium, Eisen, Elektronen und Protonen - erreicht dann innert weniger Tage die knapp 150 Millionen Kilometer entfernte Erde. Die Folgen sind zum Beispiel: Am 17. Januar 1997 meldete der amerikanische Nachrichtensender CNN den Ausfall des Fernsehsatelliten Telstar 401. Wenige Tage zuvor hatte die Raumsonde Soho einen Anstieg der Sonnenwindgeschwindigkeit gemessen - verursacht durch einen Massenauswurf. Eine neue Studie des Meteorologischen Instituts in Helsinki berichtet von 31 elektronischen Störungen bis hin zu Totalausfällen bei Satelliten. Massenauswürfe geschehen im Sonnenmaximum etwa alle fünf, im Minimum alle 45 Tage. Die Nasa lässt keinen ihrer Astronauten für einen Weltraumspaziergang aus dem Space Shuttle, wenn der Verdacht auf Massenausbrüche auf der Sonne besteht.
Polarlichter und magnetische Stürme
Der Sonnenwind hinterlässt auch Spuren auf der Erdoberfläche, vorab in den Polargebieten. "Drückt die Gaswolke auf das Erdmagnetfeld, fliesst elektrischer Strom durch die Atmosphäre zu den Erdpolen", erklärt Rainer Schwenn vom Max-Planck-Institut für Aeronomie in Lindau. Die Experten sprechen von einem geomagnetischen Sturm. Der Effekt sei mit einem Dynamo vergleichbar, sagt Schwenn. "Wird das Magnetfeld verändert, fliesst elektrischer Strom." Im schönsten Fall regen die geladenen Teilchen der Sonne die Atome in der Erdatmosphäre an: Dann leuchten in den Polargebieten Nordlichter. Im April wurden sogar - eine Folge des Sonnenfleckenmaximums - in der Schweiz welche beobachtet. Dramatisch kann es hingegen werden, wenn ein Stromstoss die Energieversorgung trifft. An einem Märztag vor elf Jahren, beim letzten Sonnenfleckenmaximum, hatte die Bevölkerung der kanadischen Stadt Québec während neun Stunden keinen Strom. Geomagnetische Stürme verändern die Ionosphäre. So reagieren Kommunikationssysteme wie etwa der Mobilfunk empfindlich auf Störungen in der äussersten Atmosphäre. Denn Radiowellen passieren die Ionosphäre oder werden an ihr reflektiert.
Weltraumagenturen wie die amerikanische Nasa und die europäische Esa investieren viel Geld, um die Weltraumwettervorhersage zu verbessern. Profitieren wollen etwa auch Energieversorgungs- und Telekommunikationsunternehmen. Nur ist die Wissenschaft erst am Anfang. Heute sei die Qualität der Weltraumwetterprognosen etwa auf dem Stand der irdischen Wettervorhersage vor 50 Jahren, ist in einem Sonderbericht der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft zu lesen.
Ausbrüche voraussagen
Trotzdem scheinen die Sonnenforscher zuversichtlich zu sein. "Wir hoffen, dass wir schon bald einen Plasmaausbruch mehrere Stunden im Voraus prognostizieren können", sagt Rainer Schwenn vom Max-Planck-Institut. Er misst seit vier Jahren mit Hilfe eines UV-Licht-Teleskops auf der Raumsonde Soho, wie sich Gasblasen auf der Sonnenoberfläche grossräumig ausbreiten. "Die wichtigsten Daten haben wir, nun muss das Puzzle noch zusammengesetzt werden". Anhaltspunkte soll ein weiterer Nasa-Satellit, Hessi, liefern. Die Weltraumbehörde plant, ihn im nächsten Frühling in den Weltraum zu schiessen. An Bord ist ein neuartiges Röntgenteleskop, bei dessen Entwicklung Schweizer Physiker am Paul-Scherrer-Institut wesentlich beteiligt waren. "Ziel ist, erstmals die Heizungsmechanismen der Plasmaausbrüche abzubilden, den genauen Ort festzustellen und ihre zeitliche Entwicklung zu verfolgen", sagt Projektleiter Alex Zehnder. Zudem will die Nasa in drei Jahren das Projekt "Stereo" starten. Mit Hilfe zweier Satelliten wollen die Forscher die räumliche Ausbreitung der Gaswolken aufzeichnen.
Bild von ens.ch
Den Zeitpunkt eines Plasmaausbruches zu bestimmen, ist für die Weltraumwettervorhersage das eine. Das andere ist, zu wissen, wann eine Gaswolke auf das Erdmagnetfeld trifft. Dafür sollte unter anderem die chemische Zusammensetzung der Massenauswürfe bekannt sein. Das Physikalische Institut an der Uni Bern hat dafür eigens einen Detektor entwickelt, der auf den Satelliten Ulysses und Soho die Häufigkeit jedes einzelnen Elements einer Gaswolke registriert. "So können wir zurückverfolgen, woher die ausgeworfene Materie stammt. Sonnenmaterial aus heisseren Zonen ist schneller unterwegs als aus kühleren", sagt Rudolf von Steiger.
Wie ein Fussballspiel!
Es sei ein nie endendes Fussballspiel, beschreibt der Esa-Forscher Philippe Escoubet die Beziehung zwischen Sonne und Erde. "Die Sonne kickt die Teile in den Weltraum, und die Erde fängt sie auf." Offen ist dabei die Frage, wie die geladenen Partikel des Sonnenwindes die beobachteten Effekte im Erdmagnetfeld auslösen. Eine Antwort will die europäische Weltraumagentur Esa mit dem Projekt "Cluster II" finden. Am Samstag sollen zum ersten Mal vier Satelliten gemeinsam ins Erdmagnetfeld geschossen werden - mit dem Ziel, die Sonnenwindprozesse in der Magnetosphäre detailliert zu beobachten.
Die Zeit ist günstig. Im Herbst rechnet die Nasa mit dem Höhepunkt des Sonnenfleckenmaximums.
Frühzeitig warnen!
Wenn zusammen mit dem Sonnenwind hochenergetische Teilchen von der Sonne gegen das Erdmagnetfeld prallen, können etwa Satelliten oder Energieversorgungssysteme ausfallen. Ein Ziel der Weltraumwetterforschung ist denn auch, den Zeitpunkt des Aufpralls so früh wie möglich voraussagen zu können. Forscher der Catholic University of America in Washington stellten vor kurzem ein Modell vor, dass die Ankunft der Teilchenwolke auf 12 Stunden genau voraussagen kann.
Die amerikanischen Wissenschafter berechnen dabei die Geschwindigkeit der Gaswolke eines Massenauswurfs. Das Tempo kann zwischen 20 und 2000 Kilometern pro Sekunde variieren, da die Gaswolke vom Sonnenwind gebremst oder beschleunigt wird. Mit dem neuen Prognosemodell könnten empfindliche Systeme rechtzeitig abgeschaltet werden, sagen die Forscher.
Den Zeitpunkt eines Plasmaausbruches zu bestimmen, ist für die Weltraumwettervorhersage das eine. Das andere ist, zu wissen, wann eine Gaswolke auf das Erdmagnetfeld trifft. Dafür sollte unter anderem die chemische Zusammensetzung der Massenauswürfe bekannt sein. Das Physikalische Institut an der Uni Bern hat dafür eigens einen Detektor entwickelt, der auf den Satelliten Ulysses und Soho die Häufigkeit jedes einzelnen Elements einer Gaswolke registriert. "So können wir zurückverfolgen, woher die ausgeworfene Materie stammt. Sonnenmaterial aus heisseren Zonen ist schneller unterwegs als aus kühleren", sagt Rudolf von Steiger.
Wie ein Fussballspiel!
Es sei ein nie endendes Fussballspiel, beschreibt der Esa-Forscher Philippe Escoubet die Beziehung zwischen Sonne und Erde. "Die Sonne kickt die Teile in den Weltraum, und die Erde fängt sie auf." Offen ist dabei die Frage, wie die geladenen Partikel des Sonnenwindes die beobachteten Effekte im Erdmagnetfeld auslösen. Eine Antwort will die europäische Weltraumagentur Esa mit dem Projekt "Cluster II" finden. Am Samstag sollen zum ersten Mal vier Satelliten gemeinsam ins Erdmagnetfeld geschossen werden - mit dem Ziel, die Sonnenwindprozesse in der Magnetosphäre detailliert zu beobachten.
Die Zeit ist günstig. Im Herbst rechnet die Nasa mit dem Höhepunkt des Sonnenfleckenmaximums.
Frühzeitig warnen!
Wenn zusammen mit dem Sonnenwind hochenergetische Teilchen von der Sonne gegen das Erdmagnetfeld prallen, können etwa Satelliten oder Energieversorgungssysteme ausfallen. Ein Ziel der Weltraumwetterforschung ist denn auch, den Zeitpunkt des Aufpralls so früh wie möglich voraussagen zu können. Forscher der Catholic University of America in Washington stellten vor kurzem ein Modell vor, dass die Ankunft der Teilchenwolke auf 12 Stunden genau voraussagen kann.
Die amerikanischen Wissenschafter berechnen dabei die Geschwindigkeit der Gaswolke eines Massenauswurfs. Das Tempo kann zwischen 20 und 2000 Kilometern pro Sekunde variieren, da die Gaswolke vom Sonnenwind gebremst oder beschleunigt wird. Mit dem neuen Prognosemodell könnten empfindliche Systeme rechtzeitig abgeschaltet werden, sagen die Forscher.