Macht die aktive Sonne uns krank?
© Tages-Anzeiger; 2000-08-02
Die Sonne ist in ihrem elfjährigen Zyklus zurzeit besonders aktiv. Die damit verbundenen magnetischen Stürme können Brieftauben stören. Auswirkungen auf unsere Gesundheit sind umstritten. Von Barbara Vonarburg
"Fühlen Sie sich trotz Super-Maitagen schlapp? Oder nervös?", fragte der "Blick" im diesjährigen Wonnemonat und zitierte einen Nasa-Mediziner, der den Grund für allfällige Beschwerden kannte: "Die Teilchenströme von der Sonne stören das Erdmagnetfeld. Das kann unseren Organismus gehörig durcheinander bringen." Tatsächlich schleudert die Sonne dieses Jahr besonders häufig grosse Teilchenmengen ins All und Richtung Erde (siehe TA vom 12. 7.). Doch ob der menschliche Körper davon etwas spürt, ist fraglich.
Unbestritten sind die Auswirkungen auf Brieftauben. Die geomagnetischen Stürme, ausgelöst durch die erhöhte Sonnenaktivität, stören die Tauben. Das sei eindeutig, sagt Ulrich Frei, Biologe und seit über 40 Jahren Brieftaubenzüchter. Er hat selbst Experimente mit Tauben in Zonen mit gestörtem Erdmagnetfeld durchgeführt und bemerkt, dass die Tauben in diesen Gebieten "nicht schön abfliegen" und für den Heimflug länger brauchen. Bei Wettflügen achten die Organisatoren deshalb auf erhöhte Sonnenaktivität und magnetische Stürme, und in Holland habe man deswegen auch schon Flüge verschoben, sagt Frei.
Die Sonnenaktivität schwankt in einem Zyklus von durchschnittlich elf Jahren. Das weiss man seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Ist die Sonne wie jetzt besonders aktiv, hat sie besonders viele dunkle Sonnenflecken, aber auch viele hell strahlende Gebiete, und es gibt besonders starke Sonnenausbrüche. Diese Massenauswürfe auf der Sonne können auf der Erde geomagnetische Stürme verursachen. Sichtbar werden diese Ereignisse, wenn sie in der Erdatmosphäre Polarlichter auslösen. Magnetstürme können aber auch Satelliten zerstören oder die Stromversorgung lahm legen. Und: "Die magnetischen Stürme sind sicher stark genug, um die magnetischen Sinnessysteme von Tieren zu stören", sagt Joseph Kirschvink, Professor für Geobiologie am kalifornischen Institut für Technologie in Pasadena.
Riecher für Magnetfeld
In den letzten Jahren haben die Forscher bei immer mehr Tierarten Hinweise auf einen Magnetsinn gefunden. Brieftauben, bestimmte Zugvögel, aber auch Meeresschildkröten, einige Fischarten und Insekten können offenbar das Erdmagnetfeld wahrnehmen und diese Information zu Orientierungs- und Navigationszwecken nutzen. Studien haben nachgewiesen, dass Brieftauben ihren Magnetkompass benutzen, um die Heimrichtung zunächst als Kompasskurs zu bestimmen. Ein neuseeländisches Forscherteam hat nun entdeckt, dass auch Regenbogenforellen einen "Riecher" für Magnetfelder haben, wie das britische Wissenschaftsmagazin "Nature" vergangene Woche berichtete (Bd. 406, S. 299).
Die Forscher fanden im Riechorgan der Forellen eisenhaltige Magnetitkristalle. Die Kristalle hätten die optimale Form, um Veränderungen von Magnetfeldern zu entdecken, schreibt das neuseeländische Team. Die Kristalle bilden Ketten mit einer Länge von etwa einem Tausendstelmillimeter und liegen im Innern von einzelnen Zellen, die so zu idealen Magnetrezeptoren werden. Ein ähnliches System wurde bei Lachsen gefunden und könnte auch in Brieftauben existieren, vermuten die Forscher. Sie schlagen deshalb vor, "dass man jetzt zu verstehen versucht, wie diese Kristalle ein Magnetfeld in ein elektrisches Signal im Nervensystem umwandeln könnten".
Ob auch der menschliche Organismus auf Veränderungen des Erdmagnetfelds reagiert, wurde in vielen Studien untersucht. "Doch die meisten Arbeiten sind mangelhaft", sagt Juan Roederer vom Geophysikalischen Institut der Universität von Alaska in Fairbanks. Der emeritierte Professor hat die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema studiert und kommt zum Schluss: "Die Untersuchung möglicher Effekte von natürlichen elektromagnetischen Feldern auf Lebewesen ist eines der kontroversesten Gebiete in der heutigen Wissenschaft."
Mehr Notrufe in russischen Spitälern
Die meisten Studien stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Während des Kalten Kriegs habe das Militär gehofft, Effekte zu finden, die auf dem Schlachtfeld genutzt werden könnten, erklärt Roederer. Besonders interessant findet er zwei neuere Studien, die 1994 und 1995 veröffentlicht wurden. Forscher untersuchten, wie häufig in Moskau und Sankt Petersburg die Ambulanz gerufen wurde, und verglichen diese Angaben mit geomagnetischen Daten. Analysiert wurden über 85 000 Notrufe bei Herzinfarkt und fast 100 000 Notrufe bei Hirnschlag in den Jahren 1979 bis 1981 in Moskau. Bei bestimmten Störungen des Erdmagnetfelds stieg die Zahl der täglichen Notrufe um 13 Prozent bei Herzinfarkt und um rund 7 Prozent bei Hirnschlag.
In Sankt Petersburg verglichen die Forscher die Anzahl täglicher Notrufe bei 17 000 Verkehrsunfällen in den Jahren 1987 bis 1989 mit geomagnetischen Daten. Auch hier zeigte sich eine Zunahme der Notrufe von 17 Prozent bei bestimmten Veränderungen im Erdmagnetfeld. Diese Resultate seien verblüffend, urteilt Juan Roederer. Besonders bemerkenswert findet er dabei, "dass Verkehrsunfälle nicht die Folge von ernsthaften Krankheiten sind, ihre häufigste Ursache ist ein Zustand verminderter Aufmerksamkeit".
Höherer Blutdruck, stärkere Migräne
In Israel untersuchte der Herzspezialist Elijah Stoupel im Rabin Medical Center in Petah-Tikva die möglichen Auswirkungen von Sonnenaktivität und magnetischen Stürmen auf die Gesundheit und kam dabei ebenfalls zu erstaunlichen Erkenntnissen. Stoupel analysierte die monatliche Häufigkeit von Todesfällen durch Herzversagen in Bezug auf Sonnenaktivität und Erdmagnetfeld. Das Resultat: Bei Patienten über 74 Jahren führten bestimmte Herzkrankheiten häufiger zum Tod, wenn die Aktivität von Sonne und Erdmagnetfeld hoch war. In dieser Altersgruppe zeigte sich ein klarer Zusammenhang, sagt Stoupel. Bei jüngeren Patienten lieferte die Untersuchung allerdings weniger deutliche Resultate.
Zudem scheinen die möglichen Auswirkungen von Veränderungen des Erdmagnetfelds auf den Organismus sehr komplex zu sein. Stoupel registrierte nicht nur Effekte bei hoher, sondern auch bei niedriger Sonnenaktivität. So zeigten Studien in Perioden mit hoher Aktivität des Erdmagnetfelds beispielsweise einen Trend zu höherem Blutdruck und Veränderungen bei Blutgerinnungsfaktoren. Bei niedriger geomagnetischer Aktivität war der Spiegel von Wachstumshormonen im Blut höher, und es wurden mehr plötzliche Todesfälle registriert als sonst.
Zusammen mit Neurologen untersuchte Stoupel zudem 30 Migränepatienten während 15 Monaten. Die Patienten gaben an, wann und wie stark sie unter einer Migräneattacke litten. Die Forscher verglichen diese Angaben mit der Aktivität des Erdmagnetfeldes. Das Resultat: Die Häufigkeit der Kopfschmerzen änderte sich nicht, aber besonders starke Migräneattacken traten bei hoher geomagnetischer Aktivität öfter auf. Der israelische Kardiologe ist überzeugt: "Es gibt eine steigende Anzahl von Hinweisen, die biologische Effekte mit solaren und geomagnetischen Bedingungen verknüpfen."
Viele Physiker sind dagegen skeptisch. Sie glauben nicht, dass Magnetstürme Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben können. Die Signale seien um Grössenordnungen kleiner als die Stärke der lokalen elektromagnetischen Felder in den Körperzellen, meinen die Skeptiker. Deshalb gebe es keinen plausiblen Mechanismus, der die potenzielle Wirkung erklären könne. Diese Argumente seien nicht stichhaltig, kritisiert Juan Roederer seine Kollegen. Wenn man im Auto aufs Gaspedal trete, brauche man dafür ebenfalls nur wenig Kraft und trotzdem beschleunige man das Auto dadurch auf eine Geschwindigkeit von vielleicht 100 Kilometer pro Stunde.
Prognosen für Weltraumwetter
Komplexe, nicht lineare und chaotische Systeme sind laut Roederer dafür bekannt, dass sie selbst auf kleinste Störungen global reagieren können, vorausgesetzt, der Anstoss fällt in einen kritischen Bereich und das System ist instabil wie beispielsweise ein kranker Körper. Roederer fordert deshalb mehr Geld für Forschung auf dem Gebiet des Biogeomagnetismus. Vor allem die Krankenversicherer sollten daran interessiert sein, meint der Forscher in Alaska. Denn wenn beispielsweise Veränderungen im Erdmagnetfeld das Operationsrisiko bei bestimmten Krankheiten erhöhen könnten, würde es sich lohnen, die Operation allenfalls zu verschieben.
Bereits heute kann man die Prognosen für das Weltraumwetter im Internet studieren. Das amerikanische Weltraumwetter-Büro informiert über die tägliche Sonnenaktivität und drohende geomagnetische Stürme (siehe Bild links). Für diese Angaben interessieren sich heute vor allem Satellitenbetreiber und Unternehmen für die Stromversorgung. Noch ist ein Zusammenhang zwischen magnetischen Stürmen und gesundheitlichen Problemen nicht erwiesen. "Die Bestätigung, dass es einen Effekt gibt oder eben nicht, steht noch aus", sagt Juan Roederer, "aber das Gebiet ist spannend und verdient es, genauer erforscht zu werden." Sicher ist, dass ein möglicher Effekt klein sein müsste, denn sonst hätten sich die Auswirkungen bis heute deutlicher gezeigt. Doch selbst ein kleiner Effekt hätte weit reichende Konsequenzen, glaubt Roederer.
Die Sonne ist in ihrem elfjährigen Zyklus zurzeit besonders aktiv. Die damit verbundenen magnetischen Stürme können Brieftauben stören. Auswirkungen auf unsere Gesundheit sind umstritten. Von Barbara Vonarburg
"Fühlen Sie sich trotz Super-Maitagen schlapp? Oder nervös?", fragte der "Blick" im diesjährigen Wonnemonat und zitierte einen Nasa-Mediziner, der den Grund für allfällige Beschwerden kannte: "Die Teilchenströme von der Sonne stören das Erdmagnetfeld. Das kann unseren Organismus gehörig durcheinander bringen." Tatsächlich schleudert die Sonne dieses Jahr besonders häufig grosse Teilchenmengen ins All und Richtung Erde (siehe TA vom 12. 7.). Doch ob der menschliche Körper davon etwas spürt, ist fraglich.
Unbestritten sind die Auswirkungen auf Brieftauben. Die geomagnetischen Stürme, ausgelöst durch die erhöhte Sonnenaktivität, stören die Tauben. Das sei eindeutig, sagt Ulrich Frei, Biologe und seit über 40 Jahren Brieftaubenzüchter. Er hat selbst Experimente mit Tauben in Zonen mit gestörtem Erdmagnetfeld durchgeführt und bemerkt, dass die Tauben in diesen Gebieten "nicht schön abfliegen" und für den Heimflug länger brauchen. Bei Wettflügen achten die Organisatoren deshalb auf erhöhte Sonnenaktivität und magnetische Stürme, und in Holland habe man deswegen auch schon Flüge verschoben, sagt Frei.
Die Sonnenaktivität schwankt in einem Zyklus von durchschnittlich elf Jahren. Das weiss man seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Ist die Sonne wie jetzt besonders aktiv, hat sie besonders viele dunkle Sonnenflecken, aber auch viele hell strahlende Gebiete, und es gibt besonders starke Sonnenausbrüche. Diese Massenauswürfe auf der Sonne können auf der Erde geomagnetische Stürme verursachen. Sichtbar werden diese Ereignisse, wenn sie in der Erdatmosphäre Polarlichter auslösen. Magnetstürme können aber auch Satelliten zerstören oder die Stromversorgung lahm legen. Und: "Die magnetischen Stürme sind sicher stark genug, um die magnetischen Sinnessysteme von Tieren zu stören", sagt Joseph Kirschvink, Professor für Geobiologie am kalifornischen Institut für Technologie in Pasadena.
Riecher für Magnetfeld
In den letzten Jahren haben die Forscher bei immer mehr Tierarten Hinweise auf einen Magnetsinn gefunden. Brieftauben, bestimmte Zugvögel, aber auch Meeresschildkröten, einige Fischarten und Insekten können offenbar das Erdmagnetfeld wahrnehmen und diese Information zu Orientierungs- und Navigationszwecken nutzen. Studien haben nachgewiesen, dass Brieftauben ihren Magnetkompass benutzen, um die Heimrichtung zunächst als Kompasskurs zu bestimmen. Ein neuseeländisches Forscherteam hat nun entdeckt, dass auch Regenbogenforellen einen "Riecher" für Magnetfelder haben, wie das britische Wissenschaftsmagazin "Nature" vergangene Woche berichtete (Bd. 406, S. 299).
Die Forscher fanden im Riechorgan der Forellen eisenhaltige Magnetitkristalle. Die Kristalle hätten die optimale Form, um Veränderungen von Magnetfeldern zu entdecken, schreibt das neuseeländische Team. Die Kristalle bilden Ketten mit einer Länge von etwa einem Tausendstelmillimeter und liegen im Innern von einzelnen Zellen, die so zu idealen Magnetrezeptoren werden. Ein ähnliches System wurde bei Lachsen gefunden und könnte auch in Brieftauben existieren, vermuten die Forscher. Sie schlagen deshalb vor, "dass man jetzt zu verstehen versucht, wie diese Kristalle ein Magnetfeld in ein elektrisches Signal im Nervensystem umwandeln könnten".
Ob auch der menschliche Organismus auf Veränderungen des Erdmagnetfelds reagiert, wurde in vielen Studien untersucht. "Doch die meisten Arbeiten sind mangelhaft", sagt Juan Roederer vom Geophysikalischen Institut der Universität von Alaska in Fairbanks. Der emeritierte Professor hat die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema studiert und kommt zum Schluss: "Die Untersuchung möglicher Effekte von natürlichen elektromagnetischen Feldern auf Lebewesen ist eines der kontroversesten Gebiete in der heutigen Wissenschaft."
Mehr Notrufe in russischen Spitälern
Die meisten Studien stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Während des Kalten Kriegs habe das Militär gehofft, Effekte zu finden, die auf dem Schlachtfeld genutzt werden könnten, erklärt Roederer. Besonders interessant findet er zwei neuere Studien, die 1994 und 1995 veröffentlicht wurden. Forscher untersuchten, wie häufig in Moskau und Sankt Petersburg die Ambulanz gerufen wurde, und verglichen diese Angaben mit geomagnetischen Daten. Analysiert wurden über 85 000 Notrufe bei Herzinfarkt und fast 100 000 Notrufe bei Hirnschlag in den Jahren 1979 bis 1981 in Moskau. Bei bestimmten Störungen des Erdmagnetfelds stieg die Zahl der täglichen Notrufe um 13 Prozent bei Herzinfarkt und um rund 7 Prozent bei Hirnschlag.
In Sankt Petersburg verglichen die Forscher die Anzahl täglicher Notrufe bei 17 000 Verkehrsunfällen in den Jahren 1987 bis 1989 mit geomagnetischen Daten. Auch hier zeigte sich eine Zunahme der Notrufe von 17 Prozent bei bestimmten Veränderungen im Erdmagnetfeld. Diese Resultate seien verblüffend, urteilt Juan Roederer. Besonders bemerkenswert findet er dabei, "dass Verkehrsunfälle nicht die Folge von ernsthaften Krankheiten sind, ihre häufigste Ursache ist ein Zustand verminderter Aufmerksamkeit".
Höherer Blutdruck, stärkere Migräne
In Israel untersuchte der Herzspezialist Elijah Stoupel im Rabin Medical Center in Petah-Tikva die möglichen Auswirkungen von Sonnenaktivität und magnetischen Stürmen auf die Gesundheit und kam dabei ebenfalls zu erstaunlichen Erkenntnissen. Stoupel analysierte die monatliche Häufigkeit von Todesfällen durch Herzversagen in Bezug auf Sonnenaktivität und Erdmagnetfeld. Das Resultat: Bei Patienten über 74 Jahren führten bestimmte Herzkrankheiten häufiger zum Tod, wenn die Aktivität von Sonne und Erdmagnetfeld hoch war. In dieser Altersgruppe zeigte sich ein klarer Zusammenhang, sagt Stoupel. Bei jüngeren Patienten lieferte die Untersuchung allerdings weniger deutliche Resultate.
Zudem scheinen die möglichen Auswirkungen von Veränderungen des Erdmagnetfelds auf den Organismus sehr komplex zu sein. Stoupel registrierte nicht nur Effekte bei hoher, sondern auch bei niedriger Sonnenaktivität. So zeigten Studien in Perioden mit hoher Aktivität des Erdmagnetfelds beispielsweise einen Trend zu höherem Blutdruck und Veränderungen bei Blutgerinnungsfaktoren. Bei niedriger geomagnetischer Aktivität war der Spiegel von Wachstumshormonen im Blut höher, und es wurden mehr plötzliche Todesfälle registriert als sonst.
Zusammen mit Neurologen untersuchte Stoupel zudem 30 Migränepatienten während 15 Monaten. Die Patienten gaben an, wann und wie stark sie unter einer Migräneattacke litten. Die Forscher verglichen diese Angaben mit der Aktivität des Erdmagnetfeldes. Das Resultat: Die Häufigkeit der Kopfschmerzen änderte sich nicht, aber besonders starke Migräneattacken traten bei hoher geomagnetischer Aktivität öfter auf. Der israelische Kardiologe ist überzeugt: "Es gibt eine steigende Anzahl von Hinweisen, die biologische Effekte mit solaren und geomagnetischen Bedingungen verknüpfen."
Viele Physiker sind dagegen skeptisch. Sie glauben nicht, dass Magnetstürme Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben können. Die Signale seien um Grössenordnungen kleiner als die Stärke der lokalen elektromagnetischen Felder in den Körperzellen, meinen die Skeptiker. Deshalb gebe es keinen plausiblen Mechanismus, der die potenzielle Wirkung erklären könne. Diese Argumente seien nicht stichhaltig, kritisiert Juan Roederer seine Kollegen. Wenn man im Auto aufs Gaspedal trete, brauche man dafür ebenfalls nur wenig Kraft und trotzdem beschleunige man das Auto dadurch auf eine Geschwindigkeit von vielleicht 100 Kilometer pro Stunde.
Prognosen für Weltraumwetter
Komplexe, nicht lineare und chaotische Systeme sind laut Roederer dafür bekannt, dass sie selbst auf kleinste Störungen global reagieren können, vorausgesetzt, der Anstoss fällt in einen kritischen Bereich und das System ist instabil wie beispielsweise ein kranker Körper. Roederer fordert deshalb mehr Geld für Forschung auf dem Gebiet des Biogeomagnetismus. Vor allem die Krankenversicherer sollten daran interessiert sein, meint der Forscher in Alaska. Denn wenn beispielsweise Veränderungen im Erdmagnetfeld das Operationsrisiko bei bestimmten Krankheiten erhöhen könnten, würde es sich lohnen, die Operation allenfalls zu verschieben.
Bereits heute kann man die Prognosen für das Weltraumwetter im Internet studieren. Das amerikanische Weltraumwetter-Büro informiert über die tägliche Sonnenaktivität und drohende geomagnetische Stürme (siehe Bild links). Für diese Angaben interessieren sich heute vor allem Satellitenbetreiber und Unternehmen für die Stromversorgung. Noch ist ein Zusammenhang zwischen magnetischen Stürmen und gesundheitlichen Problemen nicht erwiesen. "Die Bestätigung, dass es einen Effekt gibt oder eben nicht, steht noch aus", sagt Juan Roederer, "aber das Gebiet ist spannend und verdient es, genauer erforscht zu werden." Sicher ist, dass ein möglicher Effekt klein sein müsste, denn sonst hätten sich die Auswirkungen bis heute deutlicher gezeigt. Doch selbst ein kleiner Effekt hätte weit reichende Konsequenzen, glaubt Roederer.