Verhalten in der Natur
Jedermannsrecht...
...oder wie man sich in der Natur korrekt verhält: Zu Recht sind die Norweger stolz auf ihr "Jedermannsrecht", das allen die Möglichkeit bietet, sich draussen in der freien Natur zu bewegen und die Schönheiten der Natur ungezwungen zu geniessen. Das Recht entstammt der Zeit vor dem grossen Tourismus uns regelt auch die Pflichten für den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur.
In Norwegen hat man das Recht sich auf unbewirtschaftetem Gebiet frei zu bewegen, auch wenn es sich um Privatbesitz handelt. So kann ein Zelt frei aufgestellt werden, wenn dieses mindestens 150 Meter vom nächsten Haus aufgestellt wird. Selbstverständlich wird die Stelle so zurückgelassen wie sie angetroffen wurde.
Die Norweger und die Natur
Die Norweger sind "Naturverehrer", und das ist ein wesentliches Element ihrer nationalen Identität. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat leicht Zugang zu einer Ferienhütte, die Schulen veranstalten jährlich obligatorische Ski-Tage, und auf von der Touristenbranche herausgegebenen Ansichtskarten haben Naturmotive den Vorrang vor Kulturmotiven.
Ein Besuch in Oslo an einem Winterwochenende liefert den handfesten Beweis dafür, dass die weit verbreitete Liebe der Norweger zur rauen Natur ihres Landes nicht einzig und allein ein vom Staat oder der Fremdenverkehrsindustrie erfundener Mythos ist. In Städten wie London und Paris sind die Strassen an Sonntagen voll von Einwohnern und Touristen, die das reichhaltige Angebot der Stadt nutzen möchten von Restaurants über Galerien und Theater bis hin zu Kinos. In Oslo demgegenüber haben die Vorortbahnen aus der Stadt hinaus und hinauf zu den waldigen Hügeln die meisten Passagiere. Nimmt man an einem Wintersonntag die Stadtbahn zum Holmenkollen oder Frognerseteren, die mehrere hundert Meter über der Hauptstadt liegen, wird man in diesem im übrigen dünn besiedelten Land ein seltenes Menschengewühl antreffen.
Hunderte von Autos auf Parkplatzsuche, Menschen auf Skiern in ihren charakteristischen Knickerbockers und roten oder blauen Anoraks sowie ein kompliziertes System von öffentlich unterhaltenen Loipen unterschiedlicher Länge und unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades sollten jeden Zweifel darüber aus dem Wege räumen, dass Skilaufen in Norwegen ein Volksanliegen grössten Ausmasses ist. Obwohl der Skilauf im Winter eine Sonderstellung einnimmt, ist er nur eins von vielen Beispielen für die enge Verknüpfung von norwegischer Identität und der Natur des Landes.
Das Leben in der Ferienhütte
"Haus und Hütte, aber keine Burg", heisst es in einem norwegischen Gedicht. Der Dichter will damit sagen, dass Norwegen frei von Snobismus und nennenswerten Klassenunterschieden ist. Es ist ein Land mit einfachen, hart arbeitenden Menschen, die eine intime Beziehung zu ihrer ökologischen Umwelt haben.
Es ist lange her, dass zahlreiche Norweger ihr Leben in mehr oder weniger primitiven Holzhütten verbrachten. Norwegen ist heute ein schwerreiches Land, dessen Wohnstandard zu den höchsten der Welt gehört. Die meisten Norweger wohnen in mit allen nur denkbaren technischen Hilfsmitteln ausgestatteten Einfamilienhäusern und geräumigen Wohnungen. Trotzdem geniessen die Nähe zur Natur und ein einfacher Lebensstil hohes Ansehen. Als Kuriosum sei hier erwähnt, dass der bekannteste norwegische Philosoph, Arne Næss, Begründer der Deep-Ecology-Bewegung, einen grossen Teil seiner Zeit in einer einfachen, geographisch abgelegenen Gebirgshütte in der Mitte zwischen Oslo und Bergen verbringt. Und er ist bei weitem nicht der einzige. Sehr viele Norweger verbringen Wochenenden und Ferien in der Hütte ihrer Familie, idealerweise an einem so abgelegenen Ort wie möglich, umgeben von wilder, jungfräulicher norwegischer Gebirgsnatur. In der Regel muss man seinen Wagen ein bis zwei oder auch mehr Kilometer von der Hütte entfernt stehen lassen und den Rest des Weges zu Fuss zurücklegen im Winterhalbjahr auf Skiern. In dieser Art von Hütte gibt es kein fliessendes Wasser. Es wird entweder aus einem kleinen Waldsee geholt oder aber in Kannen aus der Stadt mitgebracht. Gebirgshütten haben auf keinen Fall eine Dusche. Idealerweise sollten sie auch keinen elektrischen Strom haben, obwohl diese Regel meistens nicht mehr gilt. Die typische norwegische Holzhütte ist in Blockbauweise errichtet und besteht aus einem Wohnraum, einer Küchenecke und einem oder mehreren Schlafräumen. Draussen findet man das "gewisse Örtchen" sowie den Holzschuppen. Geheizt werden sollte möglichst mit Holz, aber zur Not darf Petroleum verwendet werden. Licht an dunklen Winterabenden geben Petroleumlampen oder Wachskerzen.
Diese Einfachheit hat nichts mit Geldsparen zu tun. Gebirgshütten in attraktiver Lage sind praktisch eine kostspielige Investition, egal wie spartanisch sie eingerichtet sind. Die Gründe, warum eine Hütte keinen Komfort haben sollte, sind also nicht finanzieller, sondern vielmehr ideologischer und moralischer Art. (Hier muss allerdings hinzugefügt werden, dass ziemlich viele Norweger anstelle einer Gebirgshütte eine Hütte an der Küste haben, häufig dort, wo ein mildes Klima herrscht. Hier gelten ganz andere Regeln, und es handelt sich zum grossen Teil um komfortable Ferienhäuser.)
Die Hütte bildet den Ausgangspunkt für private Expeditionen in die Natur auf Skiern im Winter, im Sommer zu Fuss. Einen ganzen Tag drinnen in der Hütte zu verbringen, gilt als unmoralisch und sinnlos. Erst am Abend ist es legitim, sich mit Kartenspiel und vielleicht einem Drink vor dem offenen Kamin zu entspannen. Jetzt aber sollte man nach des Tages Erlebnissen in der freien Natur körperlich so richtig abgekämpft sein. Beim Leben in der Hütte ist Einfachheit eine Tugend in allen Bereichen. Ein kleines Reiseradio in der Hütte zu haben, ist inzwischen jedoch allgemein akzeptiert. Ein Fernseher demgegenüber ist weiterhin umstritten, ganz zu schweigen von einem Videorecorder.
Ganz sicher verwunderlich ist, dass die Norweger wenn im Flachland endlich der Frühling seinen Einzug hält dem langen, kalten Winter zielstrebig hinterherfahren, um noch einen Zipfel von ihm zu erfassen. Der Humorist Odd Børretzen hat einmal gesagt, dieses Phänomen sei auf eine Art kultureller Tiefenstruktur zurückzuführen: Ursprünglich besiedelt wurde Norwegen gegen Ende der Eiszeit. Die Einwanderer folgten der sich allmählich nach Norden verschiebenden Eiskante, weil es hier reichlich Wild gab. Børretzens Behauptung läuft also darauf hinaus, dass die Norweger wie ihre Vorfahren auch heute noch der Eiskante folgen eine Ansicht, die Forscher und Wissenschaftler wohl kaum jemals teilen werden.
Wandern in Feld und Wald
Über Kontaktanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften hoffen Einsender, einen Lebensgefährten zu finden. In Norwegen werben viele Menschen vielleicht sogar die meisten für die eigene Person, indem sie bezeichnenderweise "Wanderungen in Feld und Wald" als eins ihrer liebsten Hobbies nennen. Eigenwerbung dieser Art ist praktisch weit gewöhnlicher als die, dass man sich für klassische Musik oder schöngeistige Literatur interessiert.
In Feld und Wald zu wandern, ist für einen Norweger dasselbe wie "Entkommen" weg von der Zivilisation mit ihrem Komfort und ihrer Verderbtheit. In der freien Natur kommt man seinem eigenen Inneren näher, man verwirklicht sich selbst als authentischer Mensch. Spazieren gegangen oder gewandert wird häufig an gewöhnlichen Nachmittagen nach der Arbeitszeit, meistens jedoch an Wochenenden. Das Gelingen wird normalerweise daran gemessen, wie viele Menschen einem unterwegs begegnet sind, und je weniger es waren, desto geglückter war das Unternehmen.
Der Wert des Wanderns in Feld und Wald ist Stille Freisein vom ablenkenden Lärm der Stadt und der von Menschen verursachten Unruhe. Zweck der Stille ist wie es häufig ausgelegt wird Kontemplation und Frieden in Geist und Seele. Die Naturverehrung der Norweger hat viele Facetten. Einerseits ist sie offiziell und hat eine politische Seite und ist nationales Symbol. Andererseits ist sie privat und mit den Ritualen der Familie verknüpft wie etwa das Leben in der Hütte. Sie ist aber auch so persönlich und individuell, dass sie einen deutlichen Einschlag von Religion hat. Die norwegische Staatsreligion ist die evangelisch-lutherische. Trotzdem hat die Verehrung der Natur auch hier ihren Platz. Statt sie als heidnisch abzutun, bekennt sich das Luthertum in Norwegen bewusst zu ihr, was unter anderem dadurch zum Ausdruck kommt, dass auf den Umschlägen in Norwegen erscheinender christlicher Bücher häufig Motive aus der norwegischen Natur zu sehen sind. Auch die beamtete Geistlichkeit bekennt sich zur Natur, indem sie sie als ausgezeichnet geeignet für Meditation und religiöse Erkenntnis bezeichnet. So umgeht das Christentum, das im Prinzip einen scharfen Trennungsstrich zwischen Kultur und Natur zieht (die Natur ist nämlich böse und der Mensch von Natur aus sündig) eine unmittelbare Konfrontation mit der starken norwegischen Ideologie, Kultur und Natur seien zwei Seiten ein und derselben Sache. Man hat einmal zwar ein wenig ironisch gesagt, das Kreuz in der norwegischen Nationalflagge symbolisiere nicht die Kreuzigung Jesu, sondern ein Paar über Kreuz gelegte Skier.
Jedermannsrecht...
...oder wie man sich in der Natur korrekt verhält: Zu Recht sind die Norweger stolz auf ihr "Jedermannsrecht", das allen die Möglichkeit bietet, sich draussen in der freien Natur zu bewegen und die Schönheiten der Natur ungezwungen zu geniessen. Das Recht entstammt der Zeit vor dem grossen Tourismus uns regelt auch die Pflichten für den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur.
In Norwegen hat man das Recht sich auf unbewirtschaftetem Gebiet frei zu bewegen, auch wenn es sich um Privatbesitz handelt. So kann ein Zelt frei aufgestellt werden, wenn dieses mindestens 150 Meter vom nächsten Haus aufgestellt wird. Selbstverständlich wird die Stelle so zurückgelassen wie sie angetroffen wurde.
Die Norweger und die Natur
Die Norweger sind "Naturverehrer", und das ist ein wesentliches Element ihrer nationalen Identität. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat leicht Zugang zu einer Ferienhütte, die Schulen veranstalten jährlich obligatorische Ski-Tage, und auf von der Touristenbranche herausgegebenen Ansichtskarten haben Naturmotive den Vorrang vor Kulturmotiven.
Ein Besuch in Oslo an einem Winterwochenende liefert den handfesten Beweis dafür, dass die weit verbreitete Liebe der Norweger zur rauen Natur ihres Landes nicht einzig und allein ein vom Staat oder der Fremdenverkehrsindustrie erfundener Mythos ist. In Städten wie London und Paris sind die Strassen an Sonntagen voll von Einwohnern und Touristen, die das reichhaltige Angebot der Stadt nutzen möchten von Restaurants über Galerien und Theater bis hin zu Kinos. In Oslo demgegenüber haben die Vorortbahnen aus der Stadt hinaus und hinauf zu den waldigen Hügeln die meisten Passagiere. Nimmt man an einem Wintersonntag die Stadtbahn zum Holmenkollen oder Frognerseteren, die mehrere hundert Meter über der Hauptstadt liegen, wird man in diesem im übrigen dünn besiedelten Land ein seltenes Menschengewühl antreffen.
Hunderte von Autos auf Parkplatzsuche, Menschen auf Skiern in ihren charakteristischen Knickerbockers und roten oder blauen Anoraks sowie ein kompliziertes System von öffentlich unterhaltenen Loipen unterschiedlicher Länge und unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades sollten jeden Zweifel darüber aus dem Wege räumen, dass Skilaufen in Norwegen ein Volksanliegen grössten Ausmasses ist. Obwohl der Skilauf im Winter eine Sonderstellung einnimmt, ist er nur eins von vielen Beispielen für die enge Verknüpfung von norwegischer Identität und der Natur des Landes.
Das Leben in der Ferienhütte
"Haus und Hütte, aber keine Burg", heisst es in einem norwegischen Gedicht. Der Dichter will damit sagen, dass Norwegen frei von Snobismus und nennenswerten Klassenunterschieden ist. Es ist ein Land mit einfachen, hart arbeitenden Menschen, die eine intime Beziehung zu ihrer ökologischen Umwelt haben.
Es ist lange her, dass zahlreiche Norweger ihr Leben in mehr oder weniger primitiven Holzhütten verbrachten. Norwegen ist heute ein schwerreiches Land, dessen Wohnstandard zu den höchsten der Welt gehört. Die meisten Norweger wohnen in mit allen nur denkbaren technischen Hilfsmitteln ausgestatteten Einfamilienhäusern und geräumigen Wohnungen. Trotzdem geniessen die Nähe zur Natur und ein einfacher Lebensstil hohes Ansehen. Als Kuriosum sei hier erwähnt, dass der bekannteste norwegische Philosoph, Arne Næss, Begründer der Deep-Ecology-Bewegung, einen grossen Teil seiner Zeit in einer einfachen, geographisch abgelegenen Gebirgshütte in der Mitte zwischen Oslo und Bergen verbringt. Und er ist bei weitem nicht der einzige. Sehr viele Norweger verbringen Wochenenden und Ferien in der Hütte ihrer Familie, idealerweise an einem so abgelegenen Ort wie möglich, umgeben von wilder, jungfräulicher norwegischer Gebirgsnatur. In der Regel muss man seinen Wagen ein bis zwei oder auch mehr Kilometer von der Hütte entfernt stehen lassen und den Rest des Weges zu Fuss zurücklegen im Winterhalbjahr auf Skiern. In dieser Art von Hütte gibt es kein fliessendes Wasser. Es wird entweder aus einem kleinen Waldsee geholt oder aber in Kannen aus der Stadt mitgebracht. Gebirgshütten haben auf keinen Fall eine Dusche. Idealerweise sollten sie auch keinen elektrischen Strom haben, obwohl diese Regel meistens nicht mehr gilt. Die typische norwegische Holzhütte ist in Blockbauweise errichtet und besteht aus einem Wohnraum, einer Küchenecke und einem oder mehreren Schlafräumen. Draussen findet man das "gewisse Örtchen" sowie den Holzschuppen. Geheizt werden sollte möglichst mit Holz, aber zur Not darf Petroleum verwendet werden. Licht an dunklen Winterabenden geben Petroleumlampen oder Wachskerzen.
Diese Einfachheit hat nichts mit Geldsparen zu tun. Gebirgshütten in attraktiver Lage sind praktisch eine kostspielige Investition, egal wie spartanisch sie eingerichtet sind. Die Gründe, warum eine Hütte keinen Komfort haben sollte, sind also nicht finanzieller, sondern vielmehr ideologischer und moralischer Art. (Hier muss allerdings hinzugefügt werden, dass ziemlich viele Norweger anstelle einer Gebirgshütte eine Hütte an der Küste haben, häufig dort, wo ein mildes Klima herrscht. Hier gelten ganz andere Regeln, und es handelt sich zum grossen Teil um komfortable Ferienhäuser.)
Die Hütte bildet den Ausgangspunkt für private Expeditionen in die Natur auf Skiern im Winter, im Sommer zu Fuss. Einen ganzen Tag drinnen in der Hütte zu verbringen, gilt als unmoralisch und sinnlos. Erst am Abend ist es legitim, sich mit Kartenspiel und vielleicht einem Drink vor dem offenen Kamin zu entspannen. Jetzt aber sollte man nach des Tages Erlebnissen in der freien Natur körperlich so richtig abgekämpft sein. Beim Leben in der Hütte ist Einfachheit eine Tugend in allen Bereichen. Ein kleines Reiseradio in der Hütte zu haben, ist inzwischen jedoch allgemein akzeptiert. Ein Fernseher demgegenüber ist weiterhin umstritten, ganz zu schweigen von einem Videorecorder.
Ganz sicher verwunderlich ist, dass die Norweger wenn im Flachland endlich der Frühling seinen Einzug hält dem langen, kalten Winter zielstrebig hinterherfahren, um noch einen Zipfel von ihm zu erfassen. Der Humorist Odd Børretzen hat einmal gesagt, dieses Phänomen sei auf eine Art kultureller Tiefenstruktur zurückzuführen: Ursprünglich besiedelt wurde Norwegen gegen Ende der Eiszeit. Die Einwanderer folgten der sich allmählich nach Norden verschiebenden Eiskante, weil es hier reichlich Wild gab. Børretzens Behauptung läuft also darauf hinaus, dass die Norweger wie ihre Vorfahren auch heute noch der Eiskante folgen eine Ansicht, die Forscher und Wissenschaftler wohl kaum jemals teilen werden.
Wandern in Feld und Wald
Über Kontaktanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften hoffen Einsender, einen Lebensgefährten zu finden. In Norwegen werben viele Menschen vielleicht sogar die meisten für die eigene Person, indem sie bezeichnenderweise "Wanderungen in Feld und Wald" als eins ihrer liebsten Hobbies nennen. Eigenwerbung dieser Art ist praktisch weit gewöhnlicher als die, dass man sich für klassische Musik oder schöngeistige Literatur interessiert.
In Feld und Wald zu wandern, ist für einen Norweger dasselbe wie "Entkommen" weg von der Zivilisation mit ihrem Komfort und ihrer Verderbtheit. In der freien Natur kommt man seinem eigenen Inneren näher, man verwirklicht sich selbst als authentischer Mensch. Spazieren gegangen oder gewandert wird häufig an gewöhnlichen Nachmittagen nach der Arbeitszeit, meistens jedoch an Wochenenden. Das Gelingen wird normalerweise daran gemessen, wie viele Menschen einem unterwegs begegnet sind, und je weniger es waren, desto geglückter war das Unternehmen.
Der Wert des Wanderns in Feld und Wald ist Stille Freisein vom ablenkenden Lärm der Stadt und der von Menschen verursachten Unruhe. Zweck der Stille ist wie es häufig ausgelegt wird Kontemplation und Frieden in Geist und Seele. Die Naturverehrung der Norweger hat viele Facetten. Einerseits ist sie offiziell und hat eine politische Seite und ist nationales Symbol. Andererseits ist sie privat und mit den Ritualen der Familie verknüpft wie etwa das Leben in der Hütte. Sie ist aber auch so persönlich und individuell, dass sie einen deutlichen Einschlag von Religion hat. Die norwegische Staatsreligion ist die evangelisch-lutherische. Trotzdem hat die Verehrung der Natur auch hier ihren Platz. Statt sie als heidnisch abzutun, bekennt sich das Luthertum in Norwegen bewusst zu ihr, was unter anderem dadurch zum Ausdruck kommt, dass auf den Umschlägen in Norwegen erscheinender christlicher Bücher häufig Motive aus der norwegischen Natur zu sehen sind. Auch die beamtete Geistlichkeit bekennt sich zur Natur, indem sie sie als ausgezeichnet geeignet für Meditation und religiöse Erkenntnis bezeichnet. So umgeht das Christentum, das im Prinzip einen scharfen Trennungsstrich zwischen Kultur und Natur zieht (die Natur ist nämlich böse und der Mensch von Natur aus sündig) eine unmittelbare Konfrontation mit der starken norwegischen Ideologie, Kultur und Natur seien zwei Seiten ein und derselben Sache. Man hat einmal zwar ein wenig ironisch gesagt, das Kreuz in der norwegischen Nationalflagge symbolisiere nicht die Kreuzigung Jesu, sondern ein Paar über Kreuz gelegte Skier.