Reise nach Santo Domingo
Besuch eines Patenkindes von Worldvision in der Dominikanischen Republik
„No“, antwortet der Militärpolizist und schüttelt sachte den Kopf; er spricht kein Englisch. Hier stehen wir also: am Checkpoint einer Militärbasis der Dominikanischen Republik. Schranken versperren die Strasse und uns wird klar: wir haben uns verfahren. Schon Kilometer zuvor hatte ich das ungute Gefühl, nicht auf dem richtigen Weg zu sein. Wir befanden uns auf einer von Santo Domingo nach Süden führenden Strasse. Irgendwie erinnerte sie mich an eine Ausfallstrasse einer ärmlichen amerikanischen Grossstadt: Leuchtreklamen von schmuddeligen Motels und billigen Kasinos; Werbetafeln überall. Es war schmutzig, staubig, heiss und irgendwie trostlos. Ich entschloss mich aufgrund meiner Unsicherheit, jemanden nach dem richtigen Weg zu fragen. Ein mit einem Gewehr bewaffneter und als Seguridad (privater Sicherheitsdienst) uniformierter Schwarzer, ich schätzte ihn auf gut sechzig Jahre, schien mir vertrauenswürdig zu sein. Er bewachte einen jener Getränkeshops, welche man normalerweise bei Tankstellen findet - hier fehlte einfach die Tankstelle. „Señor, do you speak English?” Ein unverständiges Kopfschütteln zeigte mir sofort: nichts zu machen. Ich erinnerte mich daran, auf der Herreise irgendwo gesehen zu haben, dass "Airport" auf spanisch "Aeropuerto" heisst. Mit meiner Frage „Aeropuerto?“ ernte ich aber ein weiteres Kopfschütteln des Seguridad-Mannes. Das war alles nicht sehr ermutigend. Nun denn, sagte ich mir, dann muss es halt die Zeichensprache sein: und schon wurde meine rechte Hand zu einem startenden Flugzeug. Na, geht doch: Er hatte es kapiert! Sein Gesicht mit den paar wenigen Zahnstummel formte sich zu einem freudigen Grinsen und er wiederholte das Wort Aeropuerto und machte gleichzeitig die selbe Handbewegung, die ich ihm eben vor-gezeigt hatte. Dann wies er in die Richtung hin, in die wir sowieso unterwegs waren. Uff!, diese Bestätigung tat gut. In Santo Domingo gab es leider kaum Wegweiser und es galt, nach dem Gefühl zu fahren: der Süden, dort wo der Internationale Flughafen ist, musste in dieser Richtung liegen. Also fuhren wir weiter auf dieser unendlich langen und geraden Ausfallstrasse. Bis wir zu diesem Checkpoint kamen.
Hier stehen wir nun. Und die Erleuchtung kommt, wie ich im Hintergrund einen Militärjet sehe, der als Monument oder Kunstwerk auf einer wuchtigen Eisenstange aufgebockt ist: Wir sind tatsächlich bei einem Flughafen angekommen, an einer Airbase. Der Militärpolizist ruft nun seinen Vorgesetzten her, der offensichtlich auch kein Englisch spricht. Aber darüber will ich mich keinesfalls beklagen, befinden wir uns doch in einem Land, in dem spanisch gesprochen wird. Dass ich kein Spanisch verstehe, mir aber doch vieles spanisch vorkommt, ist deshalb mein Dilemma. Sei's drum, der Vorgesetzte zeigt mir jetzt, wie und wo ich unser Wagen wenden darf. Trotz allem, ich versuch es noch einmal: „Aeropuerto?“ Der Vorgesetzte schwafelt etwas, das mir wieder spanisch vorkommt, während der Militärpolizist mit der Hand ein Blinklicht symbolisiert und dann nach links zeigt. Aha, zurück bis zur Ampel und dort links?! Das ergibt für mich durchaus Sinn. Wir wenden. Zu diesem Zeitpunkt haben wir allerdings das Gröbste schon längst überstanden.
Am Anfang war eigentlich nur der lose – etwas blauäugige - Gedanke, einen schon lang erträumten Karibikurlaub mit dem Besuch unseres Patenkindes von World Vision, Christina, zu verbinden. Wir, das sind die drei pubertierenden, aber durchaus liebenswerten Mädchen Melanie (16), Ramona (14) und Tanita (12), deren Mutter und deren Vater (das bin eben ich, der Autor dieses Berichtes). Bereits im März 2003 buchten wir unseren Urlaub in Punta Cana. Ich bevorzuge den Frühbuchungsrabatt gegenüber dem Last-Minute-Angebot. Da wir bereits früher von Christina Zeichnungen und von Ihrer Mutter Briefe erhalten haben, verfügen wir über die lokale Adresse von World Vision und kontaktierten das Büro in Santo Domingo. Wir erkundigten uns nach der Möglichkeit eines Besuches. Es wurde uns mitgeteilt, dass wir herzlich willkommen seien, wir aber vorgängig von World Vision Schweiz eine Besuchserlaubnis einholen müssten. Diese Erlaubnis wurde uns unkompliziert erteilt, auch wenn es dazu noch einen Auszug aus dem Strafregister einzureichen galt. Klar: Es wäre wohl peinlich, würde World Vision zum Beispiel einen vorbestraften Pädophilen sein Patenkind besuchen lassen. Interessanterweise musste die Mutter meiner Kinder keine weisse Weste vorweisen. Tja, wir Männer werden eben immer wieder diskriminiert! Die zuständige Mitarbeiterin von Vision Mundial in Santo Domingo, nennen wir sie Geanil, kontaktierte uns erneut und bat uns, nach der Ankunft in der Dominikanischen Republik ihr das definitive Besuchsdatum mitzuteilen. Sie empfahl uns gleichzeitig, mit dem öffentlichen Bus von unserem Ferienort Punta Cana nach Santo Domingo zu fahren. Der Bus solle täglich um 7 Uhr losfahren, irgendwo ausserhalb der Hotelanlagen, und um 11 Uhr in Santo Domingo sein. Dort nähme uns dann Geanil am Busterminal in Empfang. Mir kam das alles etwas kompliziert vor und ich entschied mich nach Absprache mit dem "Familienrat", einen Mietwagen zu leihen und selbst nach Santo Domingo zu fahren. Das ist doch viel bequemer! Wir können stoppen wann und so oft wir wollen. Um uns auszuruhen oder um zu fotografieren. Wir können unsere eigene Musik hören und sind äusserst flexibel. Die Reise nach Santo Domingo dauert ungefähr vier Stunden, egal ob mit dem Bus oder dem Mietwagen. Das heisst, hin und zurück acht Reisestunden! Nein, da ist es bestimmt besser, wenn wir eine Pause mit Übernachtung in Santo Domingo einlegen. Auch deshalb, weil es im Oktober um 18 Uhr bereits dunkel sein wird und das Fahren bei Dunkelheit sogar nach meinem unbedarften Verständnis zu gefährlich ist. Schliesslich soll Urlaub Urlaub sein, und kein Stress.
Übrigens: Santo Domingo heisst nichts anderes als "heiliger Sonntag". Heute, nach meinen Erfahrungen, würde ich die Stadt Emocionante Martes „spannender Dienstag“ nennen.
Während dem Besuchsabend unseres Reiseveranstalters Helvetic Tours – wir sind in unserem Ferienort eingetroffen - bitten wir die Reiseleiterin um Mithilfe bei der Organisation der geplanten Reise nach Santo Domingo. Gerne bucht Sie ein zentral gelegenes Hotel und erklärte uns anhand einer Skizze wo dieses liegt. Sie weist uns allerdings darauf hin, dass wir das Auto besser am Stadtrand parken und dann per Taxi zum Büro von World Vision, respektive zum Hotel fahren sollen (Diesen Ratschlag schlage ich später in den Wind). Und überhaupt, so meint sie, sei das Fahren in der Dominikanischen Republik ein äusserst riskantes Spiel. Na, na, denke ich, als ehemaliger Aushilfe-Taxifahrer in der Grossstadt Zürich dürfte das wohl zu machen sein. Die Mitarbeiterin des Reisbüros weigert sich jedoch strikte – wenn auch freundlich – uns einen Mietwagen zu besorgen. Abschreckend weist sie uns darauf hin, dass wir bei einem Unfall durchaus mit einer Übernachtung in einem dominikanischen Gefängnis rechnen dürfen, bevor sich die Polizei um die Schuldfrage kümmern würde. Trotzdem: ich rufe das lokale Büro von Europcar an und reserviere einen Minivan, der sich im Nachhinein als ein Minibus entpuppen wird.
Heute Dienstag Morgen, es ist der 7. Oktober 2003, geht es los. Um 0815 Uhr soll uns ein Mitarbeiter von Europcar in unserem Hotel abholen. Natürlich ist niemand da; in der Karibik ticken die Uhren anders. Es ist inzwischen halb neun und ich rufe bei Europcar an. Gelobt sei die Mobiltelefonie, deren Abdeckung (Orange sei Dank), erstaunlich gut ist! Der Herr am anderen Ende der Leitung, die ja im Prinzip keine Leitung mehr ist, erklärt mir, dass Autovermieter bei den Hotels nicht zufahren dürfen und wir deshalb zum vorgelagerten Haupteingang kommen müssten. Dort werde in fünf Minuten ein Fahrer auf uns warten. Hmm, und wenn wir nicht angerufen hätten? Tja, dann wäre wohl diese Geschichte hier zu Ende. Alle Hotels in dieser Gegend sind grossräumig eingezäunt und haben eine Zufahrtsallee mit einem bewachten Eingang. Gut gelöst. Es entsteht kein Gefühl, in einer abgeschotteten Hotelwelt zu leben. Wir spazieren der Allee entlang und passieren die Tennisplätze. Tatsächlich: hinter der Eingangsschranke wartet ein Minibus. Der freundliche und aufgestellte Schwarze fährt uns zur nahe gelegenen Vermietstation. Der Papierkram wird erledigt. Der Hinweis, dass der Mietpreis alle Versicherungen beinhalte, suggeriert eine optimale Sicherheit. In einem Reiseführer lese ich später, dass Mietautos in der Dominikanischen Republik nicht durch eine Vollkasko versichert werden können. Uups!
Etwas nervös fahre ich los, liegen doch vier Stunden Autofahrt auf unbekannten Strassen vor mir. Nach wenigen hundert Meter kommen wir zu einer ersten Schwelle, wie solche in Ortschaften offensichtlich heilige Pflicht sind. Es handelt sich um echt brutale Schwellen, die man selbst mit einem Geländewagen und im Interesse sowohl des Fahrzeugs als auch dessen Insassen wirklich nur in halbem Schritttempo passieren sollte. Die Schwellen erfüllen gerade deshalb ihren Zweck - und noch mehr; doch dazu später mehr. Wir befinden uns am Plaza Bavaro, wo sich nebst einigen Geschäften sowie einer Bank auch die Polizeistation befindet. Längst haben wir uns daran gewöhnt, diese uniformierten Dominikaner mit den schönen Gilets zu sehen, patrouillieren diese doch ständig mit ihren olivgrünen Mützen mit der gelben Aufschrift „Politur“ entlang dem Strand. Melanie stellt nun fest, dass Politur gar nicht das spanische Wort für Polizei ist (und auch nichts mit dem Polieren von Möbeln zu tun hat), sondern ganz einfach die Abkürzung für „POLIzia TURistico“ ist. Wir fahren weiter und erreichen nach zwei weiteren Kilometern die erste wegweiserfreie Kreuzung. Noch auf der Kreuzung merke ich, dass ich die falsche Richtung einschlagen will, kann aber aufgrund des um mich herrschenden Verkehrs nur noch geradeaus auf einen Kiesplatz fahren. Neben mir hupt einer wie verrückt. Noch vermag mich solches zu beeindrucken und ich schaue deshalb nach links zum Hupenden. Es ist unser Shuttle-Fahrer von Europcar, der uns offenbar zeigen will, dass wir dabei sind, vom richtigen Weg abzukommen. Danke Señor, aber das habe ich selbst geschnallt! Anmerkung: Hätte er mich auf dem Rückweg angehupt, er wäre von mir mit Verachtung bestraft worden; schliesslich hupt hier jeder aus Prinzip.
Der Weg führt uns nun vorerst etwa zwanzig Kilometer in Richtung Flughafen Punta Cana. Wir befinden uns hier in der touristisch am besten erschlossenen Gegend der Dominikanischen Republik. Und just hier befinden sich die wohl am schlechtesten unterhaltenen Strassen... Ich denke an die Schweiz, wo nach einem harten Winter einige Bergstrassen mit Schlaglöcher durchsetzt sind. Die Winter hier sind vielleicht dreissig Grad wärmer als bei uns in der Schweiz, aber in Sachen Schlaglöcher ist diese Gegend bestimmt nicht zu übertreffen. Der rege Verkehr schlängelt sich gekonnt um die bis zu zwanzig Zentimeter tiefen(!) Löcher. Das führt dazu, dass manchmal über Hunderte von Metern auf der Gegenfahrbahn gefahren wird. Offensichtlich kennen die Einheimischen „ihre" Löcher ganz genau. Auf Busfahrten vom respektive zum Flughafen, oder bei Ausflügen, schaut man besser nicht vorne zum Fenster raus, sondern auf der Seite. Ausser, man hat Nerven wie Drahtseile. Als Selbstfahrer stelle ich fest, dass es nicht so gefährlich ist wie es aussieht. Der Gegenverkehr reagiert rücksichtsvoll und geht wenn nötig vom Gas oder weicht einfach aus. Die Dominikaner sind ein lebensfrohes Volk, lieben es Merengue zu tanzen und wollen bestimmt nicht auf der Strasse sterben. Wir erreichen eine grössere Verzweigung: so etwas wie ein lokaler Treffpunkt mit Tankstelle und einem nicht sehr einladend wirkenden Burger-King. Es halten hier viele Linienbusse, Sammeltaxis und Personalbusse (die übrigens exakt so aussehen, wie die amerikanischen Schulbusse) um ihre Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen. Rechts befindet sich ein riesiger Sandplatz, vielleicht zwei oder drei Fussballfelder gross. Er ist absolut leer: Ich wundere mich, für was der Platz geplant ist. Rundherum hat es eine etwa dreissig Zentimeter hohe Betonmauer, aus der Armierungseisen ragen, da und dort wurde ein Becher oder anderer Abfall am Eisen aufgespiesst.
Wir sind jetzt – nach etlichen kurz aufeinander folgenden Schwellen – vorne bei der Abzweigung. Ich sehe keinen Wegweiser, weiss aber von unseren Ausflügen, dass die Strasse links zum Flughafen von Punta Cana und rechts nach Higũey führt. Ich weiss auch, dass von hier an die Strassen deutlich besser werden, praktisch frei von Schlaglöchern. Während ich auf der langen geraden Strasse nach Norden fahre entspanne ich mich etwas, ohne zu vergessen, dass die Stadt Higũey die nächste Herausforderung darstellen wird. Wir befinden uns auf der Staatsstrasse Nr. 4, die, abgesehen von den wiederholt vorhandenen Schwellen, in einem tadellosen Zustand ist. Ja wie angekündigt, nochmals zurück zum Thema Schwellen: Es befinden sich dort immer einige kleine Holz- oder Wellblechhäuser. Dass zuerst die Häuser waren und dann die Schwellen, erachte ich als ein Gerücht. Da alle Fahrzeuge vor den Schwellen praktisch anhalten müssen, gehört zu einer schönen Schwelle jeweils ein Verkaufsstand, manchmal ein alter Tisch, manchmal ein einfaches Brettergestell, auf dem Geflügel und anderes Fleisch, Papayas, Wurzeln, Kokosnüsse, Zuckerrohre oder Ananas angeboten werden. Häufig sind die kleinen Holzhäuser bunt angemalt und es kann ihnen eine gewisse Romantik nicht abgesprochen werden. Sie erinnern mich von der Bauart (nicht von der Farbe) an eine einfache Berghütte mit einem offenen Feuerplatz davor. Ein altes Fass sammelt das Regenwasser, Hühner und Hunde spazieren oder liegen vor dem Haus, auf einem alten Stuhl sitzt ein ebenso alter Schwarzer und raucht eine selbst hergestellte dominikanische Zigarre.
Sofort verfliegt die Romantik, als wir junge Leute entdecken, die offensichtlich in äusserst ärmlicher Umgebung leben müssen. Gar etwas krass wirkt es, wenn ein Kind, soeben zurück von der Schule, sich in seiner hübschen Schuluniform zeigt, die vordergründig überhaupt nicht hierher zu passen scheint. Es ist allerdings sinnlos und müssig hier darüber zu philosophieren wer ein glücklicheres, erfüllteres Leben führen kann: sie hier oder wir dort. Es lohnt sich aber bestimmt, in einer ruhigen Stunde sich ein paar Gedanken darüber zu machen.
Wir sind nun bald eine Stunde unterwegs. Die fröhliche, beschwingte, aber doch immer ähnlich tönende Merengue-Musik plärrt aus den Lautsprechern unseres Hyundais. Die Fenster sind geschlossen, die Klimaanlage verrichtet zuverlässig ihre Arbeit während wir links und rechts der Strasse riesige Zuckerrohrfelder an uns vorbei gleiten sehen. Ganz vereinzelt sehen wir einige Zuckerrohr-Schneider, die mit ihrer riesigen Machete fast etwas bedrohlich wirken. Sie leisten eine brutal harte Arbeit, die schliesslich viel Zucker für die USA und viel Rum für die heimische Bevölkerung bringen wird. Wir nähern uns der Stadt Higũey. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass der Tank bald leer sein wird. Bald leer? Er ist praktisch leer! Bei der Übernahme des Wagens dachte ich, er sei nicht ganz voll?! Nun, da habe ich beim Blick auf die Anzeige wohl oben mit unten verwechselt. Am Stadtrand von Higũey kommen wir zu einer Shell-Tankstelle. Ich fahre vor eine Säule mit der Anschrift "Diesel". Das Glas ist kaputt, der Peso-Zähler dreht in der freien Natur seine Kreise. Die Zahlen auf der Anzeige ergeben für mich keinen Sinn. Das umrechnen gelingt mir nicht. Dreht sich ja auch schnell, die Anzeige ;-). Nun ja, Pesos habe ich nicht sehr viele dabei und ich möchte sie als Reserve behalten. Ich frage den Tankwart, ob er auch Dollars nehme. Er bejaht und beginnt auf einem kleinen Rechner Zahlen einzutippen. Ich sehe, wie er zweimal das Resultat löscht und wieder von vorne beginnt; offensichtlich war er mit den Resultaten nicht zufrieden. Nach einiger Zeit zeigt er mir auf seinem Rechner den gewünschten Betrag; genau so, wie es die Schmuck- und Bilderverkäufer am Strand zu tun pflegen. Und dort durfte unser Gegenvorschlag jeweils höchsten ein Drittel des ursprünglich geforderten Betrages ausmachen um einen fairen Preis zu erhalten.
Muss ich hier an der Tankstelle gleich vorgehen? Er will 24 Dollar für die Tankfüllung. Ich muss zugestehen, dass ich keine Ahnung habe, ob der Betrag zu hoch ist oder nicht, doch bin ich mit diesen 24 Dollar zufrieden: was soll also das Misstrauen. Higũey erleben wir als die ultimative "Motorrad-Chaos-Stadt. Zu Hunderten – und da dürfen Sie mich beim Wort nehmen – fahren uns die Roller um die Ohren. Die Stadt wirkt dadurch äusserst lebendig, hat auch viele Bars, Verkaufsstände und andere Treffpunkte. Etwas abstossend wirkt einzig das an einigen Orten aufgehängte Fleisch: Nicht nur, dass es ungeschützt vor der sengenden Sonne über einer Holzstange hängt, nein, es ist auch dem Staub und den Abgasen der Strasse ausgesetzt. Ich werde an die Lofoten erinnert, wo der Stockfisch zum Trocknen aufgehängt wird. Schönes, kühles Norwegen! Ich drehe die Klimaanlage weiter auf.
Hier stehen wir nun. Und die Erleuchtung kommt, wie ich im Hintergrund einen Militärjet sehe, der als Monument oder Kunstwerk auf einer wuchtigen Eisenstange aufgebockt ist: Wir sind tatsächlich bei einem Flughafen angekommen, an einer Airbase. Der Militärpolizist ruft nun seinen Vorgesetzten her, der offensichtlich auch kein Englisch spricht. Aber darüber will ich mich keinesfalls beklagen, befinden wir uns doch in einem Land, in dem spanisch gesprochen wird. Dass ich kein Spanisch verstehe, mir aber doch vieles spanisch vorkommt, ist deshalb mein Dilemma. Sei's drum, der Vorgesetzte zeigt mir jetzt, wie und wo ich unser Wagen wenden darf. Trotz allem, ich versuch es noch einmal: „Aeropuerto?“ Der Vorgesetzte schwafelt etwas, das mir wieder spanisch vorkommt, während der Militärpolizist mit der Hand ein Blinklicht symbolisiert und dann nach links zeigt. Aha, zurück bis zur Ampel und dort links?! Das ergibt für mich durchaus Sinn. Wir wenden. Zu diesem Zeitpunkt haben wir allerdings das Gröbste schon längst überstanden.
Am Anfang war eigentlich nur der lose – etwas blauäugige - Gedanke, einen schon lang erträumten Karibikurlaub mit dem Besuch unseres Patenkindes von World Vision, Christina, zu verbinden. Wir, das sind die drei pubertierenden, aber durchaus liebenswerten Mädchen Melanie (16), Ramona (14) und Tanita (12), deren Mutter und deren Vater (das bin eben ich, der Autor dieses Berichtes). Bereits im März 2003 buchten wir unseren Urlaub in Punta Cana. Ich bevorzuge den Frühbuchungsrabatt gegenüber dem Last-Minute-Angebot. Da wir bereits früher von Christina Zeichnungen und von Ihrer Mutter Briefe erhalten haben, verfügen wir über die lokale Adresse von World Vision und kontaktierten das Büro in Santo Domingo. Wir erkundigten uns nach der Möglichkeit eines Besuches. Es wurde uns mitgeteilt, dass wir herzlich willkommen seien, wir aber vorgängig von World Vision Schweiz eine Besuchserlaubnis einholen müssten. Diese Erlaubnis wurde uns unkompliziert erteilt, auch wenn es dazu noch einen Auszug aus dem Strafregister einzureichen galt. Klar: Es wäre wohl peinlich, würde World Vision zum Beispiel einen vorbestraften Pädophilen sein Patenkind besuchen lassen. Interessanterweise musste die Mutter meiner Kinder keine weisse Weste vorweisen. Tja, wir Männer werden eben immer wieder diskriminiert! Die zuständige Mitarbeiterin von Vision Mundial in Santo Domingo, nennen wir sie Geanil, kontaktierte uns erneut und bat uns, nach der Ankunft in der Dominikanischen Republik ihr das definitive Besuchsdatum mitzuteilen. Sie empfahl uns gleichzeitig, mit dem öffentlichen Bus von unserem Ferienort Punta Cana nach Santo Domingo zu fahren. Der Bus solle täglich um 7 Uhr losfahren, irgendwo ausserhalb der Hotelanlagen, und um 11 Uhr in Santo Domingo sein. Dort nähme uns dann Geanil am Busterminal in Empfang. Mir kam das alles etwas kompliziert vor und ich entschied mich nach Absprache mit dem "Familienrat", einen Mietwagen zu leihen und selbst nach Santo Domingo zu fahren. Das ist doch viel bequemer! Wir können stoppen wann und so oft wir wollen. Um uns auszuruhen oder um zu fotografieren. Wir können unsere eigene Musik hören und sind äusserst flexibel. Die Reise nach Santo Domingo dauert ungefähr vier Stunden, egal ob mit dem Bus oder dem Mietwagen. Das heisst, hin und zurück acht Reisestunden! Nein, da ist es bestimmt besser, wenn wir eine Pause mit Übernachtung in Santo Domingo einlegen. Auch deshalb, weil es im Oktober um 18 Uhr bereits dunkel sein wird und das Fahren bei Dunkelheit sogar nach meinem unbedarften Verständnis zu gefährlich ist. Schliesslich soll Urlaub Urlaub sein, und kein Stress.
Übrigens: Santo Domingo heisst nichts anderes als "heiliger Sonntag". Heute, nach meinen Erfahrungen, würde ich die Stadt Emocionante Martes „spannender Dienstag“ nennen.
Während dem Besuchsabend unseres Reiseveranstalters Helvetic Tours – wir sind in unserem Ferienort eingetroffen - bitten wir die Reiseleiterin um Mithilfe bei der Organisation der geplanten Reise nach Santo Domingo. Gerne bucht Sie ein zentral gelegenes Hotel und erklärte uns anhand einer Skizze wo dieses liegt. Sie weist uns allerdings darauf hin, dass wir das Auto besser am Stadtrand parken und dann per Taxi zum Büro von World Vision, respektive zum Hotel fahren sollen (Diesen Ratschlag schlage ich später in den Wind). Und überhaupt, so meint sie, sei das Fahren in der Dominikanischen Republik ein äusserst riskantes Spiel. Na, na, denke ich, als ehemaliger Aushilfe-Taxifahrer in der Grossstadt Zürich dürfte das wohl zu machen sein. Die Mitarbeiterin des Reisbüros weigert sich jedoch strikte – wenn auch freundlich – uns einen Mietwagen zu besorgen. Abschreckend weist sie uns darauf hin, dass wir bei einem Unfall durchaus mit einer Übernachtung in einem dominikanischen Gefängnis rechnen dürfen, bevor sich die Polizei um die Schuldfrage kümmern würde. Trotzdem: ich rufe das lokale Büro von Europcar an und reserviere einen Minivan, der sich im Nachhinein als ein Minibus entpuppen wird.
Heute Dienstag Morgen, es ist der 7. Oktober 2003, geht es los. Um 0815 Uhr soll uns ein Mitarbeiter von Europcar in unserem Hotel abholen. Natürlich ist niemand da; in der Karibik ticken die Uhren anders. Es ist inzwischen halb neun und ich rufe bei Europcar an. Gelobt sei die Mobiltelefonie, deren Abdeckung (Orange sei Dank), erstaunlich gut ist! Der Herr am anderen Ende der Leitung, die ja im Prinzip keine Leitung mehr ist, erklärt mir, dass Autovermieter bei den Hotels nicht zufahren dürfen und wir deshalb zum vorgelagerten Haupteingang kommen müssten. Dort werde in fünf Minuten ein Fahrer auf uns warten. Hmm, und wenn wir nicht angerufen hätten? Tja, dann wäre wohl diese Geschichte hier zu Ende. Alle Hotels in dieser Gegend sind grossräumig eingezäunt und haben eine Zufahrtsallee mit einem bewachten Eingang. Gut gelöst. Es entsteht kein Gefühl, in einer abgeschotteten Hotelwelt zu leben. Wir spazieren der Allee entlang und passieren die Tennisplätze. Tatsächlich: hinter der Eingangsschranke wartet ein Minibus. Der freundliche und aufgestellte Schwarze fährt uns zur nahe gelegenen Vermietstation. Der Papierkram wird erledigt. Der Hinweis, dass der Mietpreis alle Versicherungen beinhalte, suggeriert eine optimale Sicherheit. In einem Reiseführer lese ich später, dass Mietautos in der Dominikanischen Republik nicht durch eine Vollkasko versichert werden können. Uups!
Etwas nervös fahre ich los, liegen doch vier Stunden Autofahrt auf unbekannten Strassen vor mir. Nach wenigen hundert Meter kommen wir zu einer ersten Schwelle, wie solche in Ortschaften offensichtlich heilige Pflicht sind. Es handelt sich um echt brutale Schwellen, die man selbst mit einem Geländewagen und im Interesse sowohl des Fahrzeugs als auch dessen Insassen wirklich nur in halbem Schritttempo passieren sollte. Die Schwellen erfüllen gerade deshalb ihren Zweck - und noch mehr; doch dazu später mehr. Wir befinden uns am Plaza Bavaro, wo sich nebst einigen Geschäften sowie einer Bank auch die Polizeistation befindet. Längst haben wir uns daran gewöhnt, diese uniformierten Dominikaner mit den schönen Gilets zu sehen, patrouillieren diese doch ständig mit ihren olivgrünen Mützen mit der gelben Aufschrift „Politur“ entlang dem Strand. Melanie stellt nun fest, dass Politur gar nicht das spanische Wort für Polizei ist (und auch nichts mit dem Polieren von Möbeln zu tun hat), sondern ganz einfach die Abkürzung für „POLIzia TURistico“ ist. Wir fahren weiter und erreichen nach zwei weiteren Kilometern die erste wegweiserfreie Kreuzung. Noch auf der Kreuzung merke ich, dass ich die falsche Richtung einschlagen will, kann aber aufgrund des um mich herrschenden Verkehrs nur noch geradeaus auf einen Kiesplatz fahren. Neben mir hupt einer wie verrückt. Noch vermag mich solches zu beeindrucken und ich schaue deshalb nach links zum Hupenden. Es ist unser Shuttle-Fahrer von Europcar, der uns offenbar zeigen will, dass wir dabei sind, vom richtigen Weg abzukommen. Danke Señor, aber das habe ich selbst geschnallt! Anmerkung: Hätte er mich auf dem Rückweg angehupt, er wäre von mir mit Verachtung bestraft worden; schliesslich hupt hier jeder aus Prinzip.
Der Weg führt uns nun vorerst etwa zwanzig Kilometer in Richtung Flughafen Punta Cana. Wir befinden uns hier in der touristisch am besten erschlossenen Gegend der Dominikanischen Republik. Und just hier befinden sich die wohl am schlechtesten unterhaltenen Strassen... Ich denke an die Schweiz, wo nach einem harten Winter einige Bergstrassen mit Schlaglöcher durchsetzt sind. Die Winter hier sind vielleicht dreissig Grad wärmer als bei uns in der Schweiz, aber in Sachen Schlaglöcher ist diese Gegend bestimmt nicht zu übertreffen. Der rege Verkehr schlängelt sich gekonnt um die bis zu zwanzig Zentimeter tiefen(!) Löcher. Das führt dazu, dass manchmal über Hunderte von Metern auf der Gegenfahrbahn gefahren wird. Offensichtlich kennen die Einheimischen „ihre" Löcher ganz genau. Auf Busfahrten vom respektive zum Flughafen, oder bei Ausflügen, schaut man besser nicht vorne zum Fenster raus, sondern auf der Seite. Ausser, man hat Nerven wie Drahtseile. Als Selbstfahrer stelle ich fest, dass es nicht so gefährlich ist wie es aussieht. Der Gegenverkehr reagiert rücksichtsvoll und geht wenn nötig vom Gas oder weicht einfach aus. Die Dominikaner sind ein lebensfrohes Volk, lieben es Merengue zu tanzen und wollen bestimmt nicht auf der Strasse sterben. Wir erreichen eine grössere Verzweigung: so etwas wie ein lokaler Treffpunkt mit Tankstelle und einem nicht sehr einladend wirkenden Burger-King. Es halten hier viele Linienbusse, Sammeltaxis und Personalbusse (die übrigens exakt so aussehen, wie die amerikanischen Schulbusse) um ihre Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen. Rechts befindet sich ein riesiger Sandplatz, vielleicht zwei oder drei Fussballfelder gross. Er ist absolut leer: Ich wundere mich, für was der Platz geplant ist. Rundherum hat es eine etwa dreissig Zentimeter hohe Betonmauer, aus der Armierungseisen ragen, da und dort wurde ein Becher oder anderer Abfall am Eisen aufgespiesst.
Wir sind jetzt – nach etlichen kurz aufeinander folgenden Schwellen – vorne bei der Abzweigung. Ich sehe keinen Wegweiser, weiss aber von unseren Ausflügen, dass die Strasse links zum Flughafen von Punta Cana und rechts nach Higũey führt. Ich weiss auch, dass von hier an die Strassen deutlich besser werden, praktisch frei von Schlaglöchern. Während ich auf der langen geraden Strasse nach Norden fahre entspanne ich mich etwas, ohne zu vergessen, dass die Stadt Higũey die nächste Herausforderung darstellen wird. Wir befinden uns auf der Staatsstrasse Nr. 4, die, abgesehen von den wiederholt vorhandenen Schwellen, in einem tadellosen Zustand ist. Ja wie angekündigt, nochmals zurück zum Thema Schwellen: Es befinden sich dort immer einige kleine Holz- oder Wellblechhäuser. Dass zuerst die Häuser waren und dann die Schwellen, erachte ich als ein Gerücht. Da alle Fahrzeuge vor den Schwellen praktisch anhalten müssen, gehört zu einer schönen Schwelle jeweils ein Verkaufsstand, manchmal ein alter Tisch, manchmal ein einfaches Brettergestell, auf dem Geflügel und anderes Fleisch, Papayas, Wurzeln, Kokosnüsse, Zuckerrohre oder Ananas angeboten werden. Häufig sind die kleinen Holzhäuser bunt angemalt und es kann ihnen eine gewisse Romantik nicht abgesprochen werden. Sie erinnern mich von der Bauart (nicht von der Farbe) an eine einfache Berghütte mit einem offenen Feuerplatz davor. Ein altes Fass sammelt das Regenwasser, Hühner und Hunde spazieren oder liegen vor dem Haus, auf einem alten Stuhl sitzt ein ebenso alter Schwarzer und raucht eine selbst hergestellte dominikanische Zigarre.
Sofort verfliegt die Romantik, als wir junge Leute entdecken, die offensichtlich in äusserst ärmlicher Umgebung leben müssen. Gar etwas krass wirkt es, wenn ein Kind, soeben zurück von der Schule, sich in seiner hübschen Schuluniform zeigt, die vordergründig überhaupt nicht hierher zu passen scheint. Es ist allerdings sinnlos und müssig hier darüber zu philosophieren wer ein glücklicheres, erfüllteres Leben führen kann: sie hier oder wir dort. Es lohnt sich aber bestimmt, in einer ruhigen Stunde sich ein paar Gedanken darüber zu machen.
Wir sind nun bald eine Stunde unterwegs. Die fröhliche, beschwingte, aber doch immer ähnlich tönende Merengue-Musik plärrt aus den Lautsprechern unseres Hyundais. Die Fenster sind geschlossen, die Klimaanlage verrichtet zuverlässig ihre Arbeit während wir links und rechts der Strasse riesige Zuckerrohrfelder an uns vorbei gleiten sehen. Ganz vereinzelt sehen wir einige Zuckerrohr-Schneider, die mit ihrer riesigen Machete fast etwas bedrohlich wirken. Sie leisten eine brutal harte Arbeit, die schliesslich viel Zucker für die USA und viel Rum für die heimische Bevölkerung bringen wird. Wir nähern uns der Stadt Higũey. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass der Tank bald leer sein wird. Bald leer? Er ist praktisch leer! Bei der Übernahme des Wagens dachte ich, er sei nicht ganz voll?! Nun, da habe ich beim Blick auf die Anzeige wohl oben mit unten verwechselt. Am Stadtrand von Higũey kommen wir zu einer Shell-Tankstelle. Ich fahre vor eine Säule mit der Anschrift "Diesel". Das Glas ist kaputt, der Peso-Zähler dreht in der freien Natur seine Kreise. Die Zahlen auf der Anzeige ergeben für mich keinen Sinn. Das umrechnen gelingt mir nicht. Dreht sich ja auch schnell, die Anzeige ;-). Nun ja, Pesos habe ich nicht sehr viele dabei und ich möchte sie als Reserve behalten. Ich frage den Tankwart, ob er auch Dollars nehme. Er bejaht und beginnt auf einem kleinen Rechner Zahlen einzutippen. Ich sehe, wie er zweimal das Resultat löscht und wieder von vorne beginnt; offensichtlich war er mit den Resultaten nicht zufrieden. Nach einiger Zeit zeigt er mir auf seinem Rechner den gewünschten Betrag; genau so, wie es die Schmuck- und Bilderverkäufer am Strand zu tun pflegen. Und dort durfte unser Gegenvorschlag jeweils höchsten ein Drittel des ursprünglich geforderten Betrages ausmachen um einen fairen Preis zu erhalten.
Muss ich hier an der Tankstelle gleich vorgehen? Er will 24 Dollar für die Tankfüllung. Ich muss zugestehen, dass ich keine Ahnung habe, ob der Betrag zu hoch ist oder nicht, doch bin ich mit diesen 24 Dollar zufrieden: was soll also das Misstrauen. Higũey erleben wir als die ultimative "Motorrad-Chaos-Stadt. Zu Hunderten – und da dürfen Sie mich beim Wort nehmen – fahren uns die Roller um die Ohren. Die Stadt wirkt dadurch äusserst lebendig, hat auch viele Bars, Verkaufsstände und andere Treffpunkte. Etwas abstossend wirkt einzig das an einigen Orten aufgehängte Fleisch: Nicht nur, dass es ungeschützt vor der sengenden Sonne über einer Holzstange hängt, nein, es ist auch dem Staub und den Abgasen der Strasse ausgesetzt. Ich werde an die Lofoten erinnert, wo der Stockfisch zum Trocknen aufgehängt wird. Schönes, kühles Norwegen! Ich drehe die Klimaanlage weiter auf.
Ganz unspektakulär verläuft die Fahrt bis zur nächsten grösseren Stadt, mit dem schönen Namen "La Romana". Sie hat eine Art Umfahrung und ist relativ einfach zu passieren. Am Stadtrand parken wir unser Auto an einer Tankstelle mit Shop und Bar, um uns mit genügend Getränken und etwas Essbarem zu versorgen. Erstmals sehe ich einen bewaffneten Seguridad der offensichtlich die Aufgabe hat, die Tankstelle zu bewachen. Zwei schöne, grosse, weissbraune Hunde liegen vor einer Tanksäule und dösen im Schatten des Daches.
Weiter geht es in Richtung San Pedro de Macoris. Wir haben nun die Hälfte der Wegstrecke hinter uns gebracht. Nach San Pedro de Macoris weist ein Schild mit der Aufschrift "Santo Domingo" ins Landesinnere. Wir biegen ab und kommen auf eine richtungsgetrennte Strasse, eine Art Autobahn. Ich beschleunige langsam auf etwa 120 km/h. Nach wenigen Kilometern sehe ich vor mir zwar eine grosse Kreuzung, aber keinen einzigen Hinweis, dass ich hier die Geschwindigkeit drosseln sollte. Warum auch, ich bin ja schliesslich auf der Autobahn. Dennoch drossle ich die Geschwindigkeit da ich rund um die Kreuzung einige Fahrzeuge und Fussgänger sehe. Mit noch etwa 80 km/h fahre ich über die Kreuzung, worauf mir wütend Fäuste hinterher geschwungen werden. Im Nachhinein muss ich zugeben: zu recht. Das war eine stinknormale Kreuzung, und meine Durchfahrt äusserst riskant, ja geradezu gefährlich. Sofort erinnere ich mich an die Warnung unserer Reiseleiterin: man dürfe bei einem Unfall bis zur Abklärung der Schuldfrage vorerst mal im Gefängnis übernachten. In einem dominikanischen Gefängnis notabene. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn man gar Unfallverursacher ist. Ich atme tief und hörbar durch und nehme mir vor, in Zukunft noch aufmerksamer zu sein, noch konzentrierter. Die Autobahn wird nun ganz offiziell eine Autobahn und ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass jetzt bestimmt alles einfacher werde. Schon deshalb, weil uns all die Roller nicht mehr stören werden. Denkste! Schon nach wenigen Metern überholen wir ein Roller - mit drei Personen drauf! Den Rekord hat allerdings zuvor eine Familie in Higũey aufgestellt. Hinter dem Fahrer sass ein Frau, die Beine seitlich baumelnd mit ihrem Kleinkind im Arm, dahinter nochmals ein Erwachsener Mann. Und während wir noch staunen, dass hier auf dem Mittelstreifen ein Reiter sein Pferd galoppieren lässt, kommen uns zwei "Drahtesel" entgegen. Ja richtig: sie kommen uns entgegen! Auf unserer Fahrspur! Ein paar Kilometer weiter fällt mir auf, dass am rechten Fahrbahnrand die Leitplanken fehlen. Entweder wurden sie geklaut oder es hat schlicht das Geld dazu gefehlt. Aus diesem Grund werfe ich zur Sicherheit einen Blick auf die Ziegenherde am Strassenrand: Gott sei Dank, sie bleibt dort stehen.
Je mehr wir uns Santo Domingo nähern, desto häufiger überqueren Fussgänger die Autobahn, auf welcher übrigens recht anständig und kaum über 120 km/h gefahren wird. Fussgänger strömen aus Bussen und Taxis, welche direkt auf der Fahrspur anhalten; Einer der Busse hält auf der Überholspur, gleich beim Mittelstreifen. Logisch, ist ja viel weniger gefährlich, schliesslich wollen die Fahrgäste ja nach links. Wir passieren nun den internationalen Flughafen und sehen in der Ferne die Skyline von Santo Domingo, welche sich von den schwarzen Wolken im Hintergrund nur schwach abheben kann. Es sieht nicht sehr einladend aus. Rechts neben der Autobahn sehen wir eingefallene Häuser. Ich weise die Kinder auf das Erdbeben vor wenigen Tagen hin. Wie ich später erfahre, gab es aber in dieser Region keine Schäden; diese Häuser sind wohl aus anderen Gründen zusammengefallen, oder wurden sie gar nie fertig gebaut? Hier sehen wir auch die ersten Person- und Lastwagen ohne Front- und Seitenscheiben. Wir haben nun – so nehme ich an – den Stadtrand von Santo Domingo erreicht. Bei der Vorbereitung unserer Reise habe ich in einem Reiseführer eine Stadtkarte von etwa 12 auf 12 cm gefunden. Dort ist sowohl die Strasse eingezeichnet, an der World Vision liegt, als auch diejenige, an der unser Hotel zu finden ist.
Also, was kann da noch schief gehen? Der Plan zeigt mir, dass wir vorerst auf einer der zwei eingezeichneten Brücken den Rio Ozama, welcher von Norden her in das Karibische Meer fliesst, überqueren müssen. Nach kurzer Zeit befahren wir jene Brücke, die näher am Meer liegt. Erneut stoppe ich unser Minibus um mich zu orientieren: Eigentlich ganz easy, wir müssen nun nach links in die Altstadt, durch die Zona Colonial fahren und dann weiter auf der Avenida Bolivar bis zur A. Perdoma Street. Ich fahre also los. Es gelingt mir irgendwie, eine Kurve nach links und somit in die Altstadt zu fahren, dann aber nicht mehr wie gewünscht, nach rechts abzubiegen: aus dieser Richtung kommen mir nämlich Fahrzeuge entgegen, gleich auf drei Spuren, notabene auf einer zweispurigen Strasse. Also fahre ich zwangsläufig geradeaus und fühle mich schon bald irgendwo im Nirgendwo. Leichter Stress kommt auf: hier sieht es aus, wie ich mir eine kriminelle Gegend vorstelle. Ich höre mich ein paar Schimpfworte murmeln, wovon sich eines wie "Scheisse" anhört. Strom- und Telefonleitungen hängen wirr und tief über der Strasse und entlang den Häusern. Einige Kabel wurden abgeschnitten und hängen an Hauswänden. Die dunklen Hauseingänge wirken bedrohlich (wieso haben die denn keine Türen?) und Wäsche hängt da und dort aus den Fenstern. Schwarze lungern auf dem Bürgersteig rum und bestaunen unseren Hyundai. Hilfe, jetzt nur keinen Plattfuss! Ich befürchte, wir sind hier in einem Quartier gelandet, welches uns jeder Reiseleiter verbieten würde, es zu betreten. Puuh! Solch wilde Gedanken rasen durch meinen Kopf während ich einen Weg aus dieser Ecke der Stadt suche. Dazu muss ich - so überlege ich - rechts rauf, wieder in die Richtung, von der wir gekommen sind.
Die nächste Querstrasse kommt und ich setze den Blinker. Die Strasse verdient nicht, Strasse genannt zu werden, und meine Mitfahrer fragen mich mit einem entsetzten Unterton: „Da rauf?“ Ja, vor mir fährt ein Kleinbus: Ich schaffe es bestimmt, ihm hinterher zu fahren. Wir erreichen wieder die Avenida Mexico, welche auf meinem Plänchen eingezeichnet ist; ich orientiere mich neu. Nochmals fahren wir in die Zona Colonial, diesmal auf einer anderen Strasse, und drehen dann beim Puerto Conde eine Ehrenrunde. Eine gemütliche Ehrenrunde, denn der Kreisel ist vollgestopft mit Autos. Was in aller Welt machen die hier eigentlich alle?
Gemäss Lexikon bedeutet Strasse „für den Verkehr von Fahrzeugen besonders hergerichteter, befestigter Weg“. Gemäss den Gepflogenheiten in Santo Domingo kommt da noch einiges dazu. Hier macht jeder mit der Strasse was er will. Sie ist offensichtlich eine anarchische Zone! Parkieren, streiten, handeln, diskutieren, reparieren, hupen, hupen und nochmals hupen. Hupen tun diejenigen, die die Strasse zum „Verkehr von Fahrzeugen“ missbrauchen wollen. Mitten im Chaos steht laut lachend ein Schwarzer neben seinem halb zerfallenen Auto. Sein Toyota hat offensichtlich den Geist aufgegeben – bestimmt nicht zum ersten Mal. Vergeblich versucht er, sein Fahrzeug wegzuschieben, was aber aufgrund des Chaos gar nicht möglich ist, und weil jeder Flecken der Strasse belegt ist. Ich lache ebenfalls, was mich nur kurz beunruhigt, denn wer weiss, ob dies vom schwarzen Bruder als Provokation aufgefasst wird. Und abhauen könnte ich inmitten der vielen Schrotthaufen auch nicht. Nach einiger Zeit kann ich unseren Wagen wieder bewegen und wir sind rasch auf der gesuchten Avenida Bolivar. Wir fahren in den Stadtteil Gazcue, der unverkennbar zu den bevorzugten Wohngegenden gehört. Hier finden sich wieder Häuser und Autos, die dem europäischen Standard entsprechen. Nach wenigen Minuten finden wir das Büro von World Vision, parken unser Fahrzeug am Strassenrand und werden von einem Seguridad-Mann durch das Eisentor in den Hof und dann ins Büro begleitet. Wir haben uns für 13 Uhr angemeldet. Es ist 12.30 Uhr. Wir haben den ersten Teil unserer Reise nach Santo Domingo auf spannende und amüsante Art und Weise hinter uns gebracht.
Die zuständige Mitarbeiterin, wir nannten sie Geanil, heisst uns willkommen und zeigt uns die Räumlichkeiten. Wir befinden uns hier im zentralen Büro „Vision Mundial“, von welchem aus alle Projekte in der Dominikanischen Republik betreut werden. Auf einer Landeskarte sind die Projekte mit einer Stecknadel markiert. Erinnere ich mich richtig, so befinden sich in Santo Domingo vier Projekte mit 1500 betreuten Kindern, in der ganzen Dominikanischen Republik aber weit mehr Projekte, mit der beeindruckenden Zahl von 28'700 Kindern. Hier im zentralen Büro wird unter anderem auch die ganze Korrespondenz mit den Paten/Sponsoren aus aller Welt koordiniert. Ein grosser Postsack mit Paketen liegt zur Verarbeitung bereit. Alle Mitarbeiterinnen begrüssen uns freundlich und geben uns die Möglichkeit, Fragen (in Englisch) zu stellen. Beeindruckt vom bisher Erlebten fallen uns aber kaum Fragen ein und wir lassen die Leute deshalb wieder arbeiten. Geanil zeigt uns auf der Karte, wohin wir nun fahren würden, um unser Patenkind zu treffen. Das Projekt liegt im Nordosten der Stadt.
Normalerweise wird für die Fahrt zum Patenkind ein Taxi bestellt, das selbstverständlich von den Besuchern bezahlt werden muss. Ich frage Geanil, ob sie mit uns fahren wolle, da wir ja über einen grossen Wagen verfügen. „Do you have a driver?“ fragt sie. A driver? Nein, ich fahre selber! “Sie fahren selber?”, fragt Sie erstaunt? Ich halte ihr den Schlüssel hin und sage, dass sie gerne selber fahren dürfe, falls sie das bevorzuge. Wenn das auch nur ein müder Spass meinerseits ist, frage ich mich dennoch, ob mein Vorschlag versicherungstechnisch vernünftig war? Aber Geanil winkt ab; nicht ohne zu bemerken, dass sie zwar schon Auto fahren könne, aber hier in Santo Domingo nicht wolle.
Uups, sehr motivierend. Sie setzt sich auf den Beifahrersitz und weist mich meines Erachtens in die falsche Richtung. Dann erklärt sie aber, dass um 13 Uhr Rushhour sei und nun alle zum Mittagessen gingen, weshalb wir eine alternative Route fahren müssten. Sie kennt sich offensichtlich perfekt in Santo Domingo aus und lotst uns äusserst geschickt durch die Stadt. Zuerst fahren wir auf der Avenida del Puerto, vorbei an einem bemalten Obelisk, entlang der Mündung des Rio Ozama. Wir kommen zu einer einfachen Ponton-Brücke und überqueren den Rio Ozama. Auf der anderen Seite der Brücke weist mich Geanil an, links abzubiegen. Ich halte kurz an, runzle meine Stirn und verlange von ihr eine Bestätigung: Ganz links? Also auch links von der in der Strassenmitte liegender Insel? „Ja“, meint sie unbeeindruckt. O.K., kein Problem: ich fahre über einen riesigen weissen Pfeil, der in die Gegenrichtung weist! Wieder habe ich etwas gelernt, was ich aber bis zu unserer Rückkehr in die Schweiz aus Sicherheitsgründen schleunigst wieder aus meinem Gedächtnis streichen muss. Es klingt paradox, aber das vorschriftswidrige Fahren bringt uns tatsächlich auf die richtige Strasse. Diese führt nun rechts des Rio Ozama flussaufwärts und schlängelt sich für etwa einen Kilometer durch ein unbewohntes Wald- und Sträuchergebiet. Es könnte aber auch einfach eine Müllhalde sein. Das ist wirklich ein hässliches Gesicht von Santo Domingo.
Kurz darauf sind wir wieder inmitten des Stadtverkehrs. Das Lied mit dem Refrain „Un, dos, tres“ tönt zum wiederholten Mal aus den Autolautsprechern. Geanil zeigt nach links und schon habe ich die Aufgabe am Hals, eine drei- oder vierspurige Fahrbahn zu überqueren. Das gelingt mir zwar, aber auf der anderen Seite ist die Strasse blockiert. Ich verstehe nicht, was da abgeht: Drei oder vier Autos parken auf der Fahrbahn, andere stehen dahinter und hupen. Ein Polizist springt wild um sich fuchtelnd zwischen den Autos herum. Der vorderste Wagen fährt weg, ein anderer schliesst sofort die Lücke und bleibt dort als neues Hindernis stehen. Derweil fuchtelt der Polizist auf der anderen Strassenseite rum. Ich schaue dem Treiben zu und warte gelassen ab, wie es weitergeht. Irgendwie hat mich die karibische „Isch-scho-guet“-Mentalität erfasst und ich weiss: heute irgendwann werden wir unser Patenkind Christina trotzdem treffen. Nach etwa vier oder fünf Minuten geht es langsam weiter. Die Strasse – es ist die Sabana Larga - weist immer mehr Löcher und Rinnen auf. Auch aufgrund der vielen Autos geht es nur langsam vorwärts. Geanil erklärt, dass dies die einzige durchgehende, nach Norden führende Strasse sei. Wir kommen auf eine Art Viadukt, der ein Flusstal überquert. Entlang des Flussufers sehen wir die Slums von Santo Domingo. Von hier oben ist allerdings nur ein einziger Deckel aus Blech-, Holz- und Strohdächern zu erkennen. Farbenfröhlich und aus der Distanz ungefährlich wirkend. Geanil erklärt uns, dass die Regierung sich immer wieder bemühe die Bewohner der Slums zu resozialisieren und umzusiedeln. So würden ihnen etwa Appartements angeboten, doch die Slumbewohner verkauften dann alles, was nicht einbetoniert ist und zögen dann wieder zurück in die Slums. Es ist eine grosse, über Generationen hinweg dauernde Aufgabe, die Denkweise der armen Bevölkerung zu ändern. Die Gegend wirkt nun mit jedem Kilometer ärmlicher. Shops aller Art, Autogaragen und andere Werkstätten säumen die Strasse. Es ist heiss, die Klimaanlage läuft unter Volllast. Rechts steht ein Mann vor einem Amboss und versucht mit einem riesigen Hammer lange krumme Armierungseisen in eine gerade Form zu hämmern. Nur eine von vielen Szenen, die an ein vergangenes Jahrhundert erinnert. Die Strasse wird noch schlechter und ist kaum mehr befahrbar. Eigentlich ist es eine Ansammlung von Löchern mit ganz wenig Strasse drum 'rum. Es ist höchste Konzentration gefragt – und das bei Schritttempo!
Die Strasse ist jedoch noch lange gut genug, um Handel zu betreiben: Ein paar Autos weiter vorne halten zwei Schrotthaufen; vermutlich war der eine mal ein Toyota Corolla, der andere eher ein Honda Accord, bei dem jetzt aber die Türen etwas schief im Rahmen hängen. Augenblicklich kommt wir wieder der TV-Spot mit dem selbstgezimmerten Peugeot 206 in den Sinn. Genau so sehen hier viele Autos aus. Interessanterweise funktionieren aber bei allen die Hupen einwandfrei. Vermutlich ist die Hupe das Kriterium, ob ein Auto noch fahrbar, oder Schrott ist. Geanil verspricht uns, dass diese Strasse in einem Jahr wie neu aussehen werde, denn es stünden Regierungswahlen an und die aktuelle Regierung wolle sich so die Stimmen der armen Bevölkerung sichern. Aber was hilft das uns? Endlich kommen wir im lokalen Büro von Vision Mundial an. Wir fahren in den Hof. Drei oder vier Mädchen spielen dort. In Gedanken vergleichen wir Christinas Bild mit den Gesichtern der Mädchen. Ja, eines davon, das mit dem roten T-Shirt, könnte Christina sein.
Weiter geht es in Richtung San Pedro de Macoris. Wir haben nun die Hälfte der Wegstrecke hinter uns gebracht. Nach San Pedro de Macoris weist ein Schild mit der Aufschrift "Santo Domingo" ins Landesinnere. Wir biegen ab und kommen auf eine richtungsgetrennte Strasse, eine Art Autobahn. Ich beschleunige langsam auf etwa 120 km/h. Nach wenigen Kilometern sehe ich vor mir zwar eine grosse Kreuzung, aber keinen einzigen Hinweis, dass ich hier die Geschwindigkeit drosseln sollte. Warum auch, ich bin ja schliesslich auf der Autobahn. Dennoch drossle ich die Geschwindigkeit da ich rund um die Kreuzung einige Fahrzeuge und Fussgänger sehe. Mit noch etwa 80 km/h fahre ich über die Kreuzung, worauf mir wütend Fäuste hinterher geschwungen werden. Im Nachhinein muss ich zugeben: zu recht. Das war eine stinknormale Kreuzung, und meine Durchfahrt äusserst riskant, ja geradezu gefährlich. Sofort erinnere ich mich an die Warnung unserer Reiseleiterin: man dürfe bei einem Unfall bis zur Abklärung der Schuldfrage vorerst mal im Gefängnis übernachten. In einem dominikanischen Gefängnis notabene. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn man gar Unfallverursacher ist. Ich atme tief und hörbar durch und nehme mir vor, in Zukunft noch aufmerksamer zu sein, noch konzentrierter. Die Autobahn wird nun ganz offiziell eine Autobahn und ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass jetzt bestimmt alles einfacher werde. Schon deshalb, weil uns all die Roller nicht mehr stören werden. Denkste! Schon nach wenigen Metern überholen wir ein Roller - mit drei Personen drauf! Den Rekord hat allerdings zuvor eine Familie in Higũey aufgestellt. Hinter dem Fahrer sass ein Frau, die Beine seitlich baumelnd mit ihrem Kleinkind im Arm, dahinter nochmals ein Erwachsener Mann. Und während wir noch staunen, dass hier auf dem Mittelstreifen ein Reiter sein Pferd galoppieren lässt, kommen uns zwei "Drahtesel" entgegen. Ja richtig: sie kommen uns entgegen! Auf unserer Fahrspur! Ein paar Kilometer weiter fällt mir auf, dass am rechten Fahrbahnrand die Leitplanken fehlen. Entweder wurden sie geklaut oder es hat schlicht das Geld dazu gefehlt. Aus diesem Grund werfe ich zur Sicherheit einen Blick auf die Ziegenherde am Strassenrand: Gott sei Dank, sie bleibt dort stehen.
Je mehr wir uns Santo Domingo nähern, desto häufiger überqueren Fussgänger die Autobahn, auf welcher übrigens recht anständig und kaum über 120 km/h gefahren wird. Fussgänger strömen aus Bussen und Taxis, welche direkt auf der Fahrspur anhalten; Einer der Busse hält auf der Überholspur, gleich beim Mittelstreifen. Logisch, ist ja viel weniger gefährlich, schliesslich wollen die Fahrgäste ja nach links. Wir passieren nun den internationalen Flughafen und sehen in der Ferne die Skyline von Santo Domingo, welche sich von den schwarzen Wolken im Hintergrund nur schwach abheben kann. Es sieht nicht sehr einladend aus. Rechts neben der Autobahn sehen wir eingefallene Häuser. Ich weise die Kinder auf das Erdbeben vor wenigen Tagen hin. Wie ich später erfahre, gab es aber in dieser Region keine Schäden; diese Häuser sind wohl aus anderen Gründen zusammengefallen, oder wurden sie gar nie fertig gebaut? Hier sehen wir auch die ersten Person- und Lastwagen ohne Front- und Seitenscheiben. Wir haben nun – so nehme ich an – den Stadtrand von Santo Domingo erreicht. Bei der Vorbereitung unserer Reise habe ich in einem Reiseführer eine Stadtkarte von etwa 12 auf 12 cm gefunden. Dort ist sowohl die Strasse eingezeichnet, an der World Vision liegt, als auch diejenige, an der unser Hotel zu finden ist.
Also, was kann da noch schief gehen? Der Plan zeigt mir, dass wir vorerst auf einer der zwei eingezeichneten Brücken den Rio Ozama, welcher von Norden her in das Karibische Meer fliesst, überqueren müssen. Nach kurzer Zeit befahren wir jene Brücke, die näher am Meer liegt. Erneut stoppe ich unser Minibus um mich zu orientieren: Eigentlich ganz easy, wir müssen nun nach links in die Altstadt, durch die Zona Colonial fahren und dann weiter auf der Avenida Bolivar bis zur A. Perdoma Street. Ich fahre also los. Es gelingt mir irgendwie, eine Kurve nach links und somit in die Altstadt zu fahren, dann aber nicht mehr wie gewünscht, nach rechts abzubiegen: aus dieser Richtung kommen mir nämlich Fahrzeuge entgegen, gleich auf drei Spuren, notabene auf einer zweispurigen Strasse. Also fahre ich zwangsläufig geradeaus und fühle mich schon bald irgendwo im Nirgendwo. Leichter Stress kommt auf: hier sieht es aus, wie ich mir eine kriminelle Gegend vorstelle. Ich höre mich ein paar Schimpfworte murmeln, wovon sich eines wie "Scheisse" anhört. Strom- und Telefonleitungen hängen wirr und tief über der Strasse und entlang den Häusern. Einige Kabel wurden abgeschnitten und hängen an Hauswänden. Die dunklen Hauseingänge wirken bedrohlich (wieso haben die denn keine Türen?) und Wäsche hängt da und dort aus den Fenstern. Schwarze lungern auf dem Bürgersteig rum und bestaunen unseren Hyundai. Hilfe, jetzt nur keinen Plattfuss! Ich befürchte, wir sind hier in einem Quartier gelandet, welches uns jeder Reiseleiter verbieten würde, es zu betreten. Puuh! Solch wilde Gedanken rasen durch meinen Kopf während ich einen Weg aus dieser Ecke der Stadt suche. Dazu muss ich - so überlege ich - rechts rauf, wieder in die Richtung, von der wir gekommen sind.
Die nächste Querstrasse kommt und ich setze den Blinker. Die Strasse verdient nicht, Strasse genannt zu werden, und meine Mitfahrer fragen mich mit einem entsetzten Unterton: „Da rauf?“ Ja, vor mir fährt ein Kleinbus: Ich schaffe es bestimmt, ihm hinterher zu fahren. Wir erreichen wieder die Avenida Mexico, welche auf meinem Plänchen eingezeichnet ist; ich orientiere mich neu. Nochmals fahren wir in die Zona Colonial, diesmal auf einer anderen Strasse, und drehen dann beim Puerto Conde eine Ehrenrunde. Eine gemütliche Ehrenrunde, denn der Kreisel ist vollgestopft mit Autos. Was in aller Welt machen die hier eigentlich alle?
Gemäss Lexikon bedeutet Strasse „für den Verkehr von Fahrzeugen besonders hergerichteter, befestigter Weg“. Gemäss den Gepflogenheiten in Santo Domingo kommt da noch einiges dazu. Hier macht jeder mit der Strasse was er will. Sie ist offensichtlich eine anarchische Zone! Parkieren, streiten, handeln, diskutieren, reparieren, hupen, hupen und nochmals hupen. Hupen tun diejenigen, die die Strasse zum „Verkehr von Fahrzeugen“ missbrauchen wollen. Mitten im Chaos steht laut lachend ein Schwarzer neben seinem halb zerfallenen Auto. Sein Toyota hat offensichtlich den Geist aufgegeben – bestimmt nicht zum ersten Mal. Vergeblich versucht er, sein Fahrzeug wegzuschieben, was aber aufgrund des Chaos gar nicht möglich ist, und weil jeder Flecken der Strasse belegt ist. Ich lache ebenfalls, was mich nur kurz beunruhigt, denn wer weiss, ob dies vom schwarzen Bruder als Provokation aufgefasst wird. Und abhauen könnte ich inmitten der vielen Schrotthaufen auch nicht. Nach einiger Zeit kann ich unseren Wagen wieder bewegen und wir sind rasch auf der gesuchten Avenida Bolivar. Wir fahren in den Stadtteil Gazcue, der unverkennbar zu den bevorzugten Wohngegenden gehört. Hier finden sich wieder Häuser und Autos, die dem europäischen Standard entsprechen. Nach wenigen Minuten finden wir das Büro von World Vision, parken unser Fahrzeug am Strassenrand und werden von einem Seguridad-Mann durch das Eisentor in den Hof und dann ins Büro begleitet. Wir haben uns für 13 Uhr angemeldet. Es ist 12.30 Uhr. Wir haben den ersten Teil unserer Reise nach Santo Domingo auf spannende und amüsante Art und Weise hinter uns gebracht.
Die zuständige Mitarbeiterin, wir nannten sie Geanil, heisst uns willkommen und zeigt uns die Räumlichkeiten. Wir befinden uns hier im zentralen Büro „Vision Mundial“, von welchem aus alle Projekte in der Dominikanischen Republik betreut werden. Auf einer Landeskarte sind die Projekte mit einer Stecknadel markiert. Erinnere ich mich richtig, so befinden sich in Santo Domingo vier Projekte mit 1500 betreuten Kindern, in der ganzen Dominikanischen Republik aber weit mehr Projekte, mit der beeindruckenden Zahl von 28'700 Kindern. Hier im zentralen Büro wird unter anderem auch die ganze Korrespondenz mit den Paten/Sponsoren aus aller Welt koordiniert. Ein grosser Postsack mit Paketen liegt zur Verarbeitung bereit. Alle Mitarbeiterinnen begrüssen uns freundlich und geben uns die Möglichkeit, Fragen (in Englisch) zu stellen. Beeindruckt vom bisher Erlebten fallen uns aber kaum Fragen ein und wir lassen die Leute deshalb wieder arbeiten. Geanil zeigt uns auf der Karte, wohin wir nun fahren würden, um unser Patenkind zu treffen. Das Projekt liegt im Nordosten der Stadt.
Normalerweise wird für die Fahrt zum Patenkind ein Taxi bestellt, das selbstverständlich von den Besuchern bezahlt werden muss. Ich frage Geanil, ob sie mit uns fahren wolle, da wir ja über einen grossen Wagen verfügen. „Do you have a driver?“ fragt sie. A driver? Nein, ich fahre selber! “Sie fahren selber?”, fragt Sie erstaunt? Ich halte ihr den Schlüssel hin und sage, dass sie gerne selber fahren dürfe, falls sie das bevorzuge. Wenn das auch nur ein müder Spass meinerseits ist, frage ich mich dennoch, ob mein Vorschlag versicherungstechnisch vernünftig war? Aber Geanil winkt ab; nicht ohne zu bemerken, dass sie zwar schon Auto fahren könne, aber hier in Santo Domingo nicht wolle.
Uups, sehr motivierend. Sie setzt sich auf den Beifahrersitz und weist mich meines Erachtens in die falsche Richtung. Dann erklärt sie aber, dass um 13 Uhr Rushhour sei und nun alle zum Mittagessen gingen, weshalb wir eine alternative Route fahren müssten. Sie kennt sich offensichtlich perfekt in Santo Domingo aus und lotst uns äusserst geschickt durch die Stadt. Zuerst fahren wir auf der Avenida del Puerto, vorbei an einem bemalten Obelisk, entlang der Mündung des Rio Ozama. Wir kommen zu einer einfachen Ponton-Brücke und überqueren den Rio Ozama. Auf der anderen Seite der Brücke weist mich Geanil an, links abzubiegen. Ich halte kurz an, runzle meine Stirn und verlange von ihr eine Bestätigung: Ganz links? Also auch links von der in der Strassenmitte liegender Insel? „Ja“, meint sie unbeeindruckt. O.K., kein Problem: ich fahre über einen riesigen weissen Pfeil, der in die Gegenrichtung weist! Wieder habe ich etwas gelernt, was ich aber bis zu unserer Rückkehr in die Schweiz aus Sicherheitsgründen schleunigst wieder aus meinem Gedächtnis streichen muss. Es klingt paradox, aber das vorschriftswidrige Fahren bringt uns tatsächlich auf die richtige Strasse. Diese führt nun rechts des Rio Ozama flussaufwärts und schlängelt sich für etwa einen Kilometer durch ein unbewohntes Wald- und Sträuchergebiet. Es könnte aber auch einfach eine Müllhalde sein. Das ist wirklich ein hässliches Gesicht von Santo Domingo.
Kurz darauf sind wir wieder inmitten des Stadtverkehrs. Das Lied mit dem Refrain „Un, dos, tres“ tönt zum wiederholten Mal aus den Autolautsprechern. Geanil zeigt nach links und schon habe ich die Aufgabe am Hals, eine drei- oder vierspurige Fahrbahn zu überqueren. Das gelingt mir zwar, aber auf der anderen Seite ist die Strasse blockiert. Ich verstehe nicht, was da abgeht: Drei oder vier Autos parken auf der Fahrbahn, andere stehen dahinter und hupen. Ein Polizist springt wild um sich fuchtelnd zwischen den Autos herum. Der vorderste Wagen fährt weg, ein anderer schliesst sofort die Lücke und bleibt dort als neues Hindernis stehen. Derweil fuchtelt der Polizist auf der anderen Strassenseite rum. Ich schaue dem Treiben zu und warte gelassen ab, wie es weitergeht. Irgendwie hat mich die karibische „Isch-scho-guet“-Mentalität erfasst und ich weiss: heute irgendwann werden wir unser Patenkind Christina trotzdem treffen. Nach etwa vier oder fünf Minuten geht es langsam weiter. Die Strasse – es ist die Sabana Larga - weist immer mehr Löcher und Rinnen auf. Auch aufgrund der vielen Autos geht es nur langsam vorwärts. Geanil erklärt, dass dies die einzige durchgehende, nach Norden führende Strasse sei. Wir kommen auf eine Art Viadukt, der ein Flusstal überquert. Entlang des Flussufers sehen wir die Slums von Santo Domingo. Von hier oben ist allerdings nur ein einziger Deckel aus Blech-, Holz- und Strohdächern zu erkennen. Farbenfröhlich und aus der Distanz ungefährlich wirkend. Geanil erklärt uns, dass die Regierung sich immer wieder bemühe die Bewohner der Slums zu resozialisieren und umzusiedeln. So würden ihnen etwa Appartements angeboten, doch die Slumbewohner verkauften dann alles, was nicht einbetoniert ist und zögen dann wieder zurück in die Slums. Es ist eine grosse, über Generationen hinweg dauernde Aufgabe, die Denkweise der armen Bevölkerung zu ändern. Die Gegend wirkt nun mit jedem Kilometer ärmlicher. Shops aller Art, Autogaragen und andere Werkstätten säumen die Strasse. Es ist heiss, die Klimaanlage läuft unter Volllast. Rechts steht ein Mann vor einem Amboss und versucht mit einem riesigen Hammer lange krumme Armierungseisen in eine gerade Form zu hämmern. Nur eine von vielen Szenen, die an ein vergangenes Jahrhundert erinnert. Die Strasse wird noch schlechter und ist kaum mehr befahrbar. Eigentlich ist es eine Ansammlung von Löchern mit ganz wenig Strasse drum 'rum. Es ist höchste Konzentration gefragt – und das bei Schritttempo!
Die Strasse ist jedoch noch lange gut genug, um Handel zu betreiben: Ein paar Autos weiter vorne halten zwei Schrotthaufen; vermutlich war der eine mal ein Toyota Corolla, der andere eher ein Honda Accord, bei dem jetzt aber die Türen etwas schief im Rahmen hängen. Augenblicklich kommt wir wieder der TV-Spot mit dem selbstgezimmerten Peugeot 206 in den Sinn. Genau so sehen hier viele Autos aus. Interessanterweise funktionieren aber bei allen die Hupen einwandfrei. Vermutlich ist die Hupe das Kriterium, ob ein Auto noch fahrbar, oder Schrott ist. Geanil verspricht uns, dass diese Strasse in einem Jahr wie neu aussehen werde, denn es stünden Regierungswahlen an und die aktuelle Regierung wolle sich so die Stimmen der armen Bevölkerung sichern. Aber was hilft das uns? Endlich kommen wir im lokalen Büro von Vision Mundial an. Wir fahren in den Hof. Drei oder vier Mädchen spielen dort. In Gedanken vergleichen wir Christinas Bild mit den Gesichtern der Mädchen. Ja, eines davon, das mit dem roten T-Shirt, könnte Christina sein.
Ein paar Minuten aus dem Wagen gestiegen, überfällt uns die feuchte Hitze. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal einen Hyundai vermisse würde, doch schon sehne ich mich nach der Klimaanlage des Autos. Geanil stellt uns die Leiterin des lokalen Büros vor. Hier werden alle Daten und Fotos der Patenkinder erstellt und verwaltet. Eine bestimmt sehr aufwändige Arbeit; entsprechend chaotisch sieht es im Büro aus. Als dann aber eine Mitarbeiterin mit einem einzigen Handgriff Christinas Unterlagen aus dem Chaos zieht, ist mein Vertrauen in die dominikanische Arbeitsweise wieder hergestellt. Die Kinder besuchen die öffentlichen, aber von World Vision unterstützten Schulen. World Vision verfügt also nicht über einen eigenen Schulbetrieb, bietet aber ergänzende Ausbildungen, wie Musik-, Tanz- oder Malunterricht. Es stehen hier eine Bibliothek und Kopiergeräte zur Verfügung. Da sich die Bevölkerung in diesem Stadtteil keine Bücher leisten kann, werden viele Lernmittel kopiert. In einem Raum stehen etwa zehn mehr oder weniger neue Computer - laut Melanie die selben wie in der Berufsschule Aarau - mit denen die Kinder hier in Windows und die Office-Programme eingeführt werden. Bill Gates ist überall...
Die Hitze macht mir sehr zu schaffen. Da nützt es auch nicht viel, dass ich im Schatten stehe. Aber weshalb stellt man uns Christina nicht vor? Geanil teilt uns mit, dass wir noch auf die Betreuerin von Christina warten würden, welche uns beim Besuch in der Schule begleiten wolle. Tja, die mit dem roten T-Shirt ist in diesem Falle nicht Christina, jedenfalls nicht "unsere" Christina. Man bietet mir höflich einen Stuhl an. Ich sehe vermutlich so von der Hitze gezeichnet aus, als ob ich gleich zusammenbrechen würde. Nein, stehen ist kein Problem, es ist nur die Hitze, die mein Hemd mehr und mehr nässt. Die Betreuerin, nennen wir sie Rosalia, trifft ein. Wir können uns glücklich schätzen, einen Minibus zu haben, denn inzwischen sitzen acht Personen in unserem Hyundai. Rosalia setzt sich neben mich. Sie spricht kein Wort Englisch und deutet mir mit Handzeichen den Weg. Das hat sie allerdings auch nicht ganz im Griff und korrigiert innerhalb einigen hundert Metern zweimal die vorher angezeigte Richtung um uns dann in die Gegenrichtung zu weisen. Nach etwa zwei Kilometern kommen wir zur x-ten Kreuzung. Rosalia zeigt geradeaus. Ich vermute stark, dass dies ihre dritte Fehlanzeige ist: ich sehe zwar weiter vorne links und rechts Häuser stehen, aber das, was dazwischen liegt kann nicht als Strasse, sondern muss als ausgetrocknetes Flussbett bezeichnet werden. Um dorthin zu gelangen, müsste ich gleich zu Beginn eine Art wasserlose Fuhrt durchqueren, was sogar mit dem hochbeinigen Bus kaum gelingen könnte. Rosalia bleibt aber dabei: geradeaus! Nun ja, wer will denn schon einer jungen Dominikanerin wiedersprechen? Ist ja nicht mein Auto. Erstaunlicherweise glückt die Durchquerung der Fuhrt und ich erreiche das Flussbett, welches sich zum Glück nach hundert Metern wieder in eine Strasse verwandelt. Nach zweihundert Metern stehen wir schliesslich vor der Schule und parken unser Fahrzeug. Ich schliesse es ab. Wir haben unser Ziel nach etwa sechs Stunden erreicht!
Die Hitze macht mir sehr zu schaffen. Da nützt es auch nicht viel, dass ich im Schatten stehe. Aber weshalb stellt man uns Christina nicht vor? Geanil teilt uns mit, dass wir noch auf die Betreuerin von Christina warten würden, welche uns beim Besuch in der Schule begleiten wolle. Tja, die mit dem roten T-Shirt ist in diesem Falle nicht Christina, jedenfalls nicht "unsere" Christina. Man bietet mir höflich einen Stuhl an. Ich sehe vermutlich so von der Hitze gezeichnet aus, als ob ich gleich zusammenbrechen würde. Nein, stehen ist kein Problem, es ist nur die Hitze, die mein Hemd mehr und mehr nässt. Die Betreuerin, nennen wir sie Rosalia, trifft ein. Wir können uns glücklich schätzen, einen Minibus zu haben, denn inzwischen sitzen acht Personen in unserem Hyundai. Rosalia setzt sich neben mich. Sie spricht kein Wort Englisch und deutet mir mit Handzeichen den Weg. Das hat sie allerdings auch nicht ganz im Griff und korrigiert innerhalb einigen hundert Metern zweimal die vorher angezeigte Richtung um uns dann in die Gegenrichtung zu weisen. Nach etwa zwei Kilometern kommen wir zur x-ten Kreuzung. Rosalia zeigt geradeaus. Ich vermute stark, dass dies ihre dritte Fehlanzeige ist: ich sehe zwar weiter vorne links und rechts Häuser stehen, aber das, was dazwischen liegt kann nicht als Strasse, sondern muss als ausgetrocknetes Flussbett bezeichnet werden. Um dorthin zu gelangen, müsste ich gleich zu Beginn eine Art wasserlose Fuhrt durchqueren, was sogar mit dem hochbeinigen Bus kaum gelingen könnte. Rosalia bleibt aber dabei: geradeaus! Nun ja, wer will denn schon einer jungen Dominikanerin wiedersprechen? Ist ja nicht mein Auto. Erstaunlicherweise glückt die Durchquerung der Fuhrt und ich erreiche das Flussbett, welches sich zum Glück nach hundert Metern wieder in eine Strasse verwandelt. Nach zweihundert Metern stehen wir schliesslich vor der Schule und parken unser Fahrzeug. Ich schliesse es ab. Wir haben unser Ziel nach etwa sechs Stunden erreicht!
Die Schule „Colegio Andres Bello“ hinterlässt einen für diese Gegend äusserst gepflegten Eindruck, sie ist jedoch rundum vergittert und abgeschlossen. Dass die Gitter farbig gestrichen sind ändert nichts an meinem Eindruck, dass hier offenbar gewisse Sicherheitsmassnahmen nötig sind. Wir betreten den ockerfarbig gestrichenen Vorraum und werden von der Schulleiterin begrüsst, die ihren Arbeitsplatz in einer Nische rechts vom Eingang hat. Dort hängen einige Bilder mit Männerköpfen. Ob es Andres Bello oder Regierungsmitglieder oder einfach Verwandte der Schulleiterin sind, bleibt für uns wohl für immer im dunkeln. Die Leiterin ist etwa sechzig Jahre alt, hat graue, gepflegte Haare und macht auf mich einen durchaus strengen Eindruck. Der Boden ist aus Beton, ein schmaler, düster wirkender Gang führt zu den Schulzimmern. Rechts ist die Toilette und danach gleich der Eingang in ein eng bestuhltes Schulzimmer, in dem sich etwa 10- bis 12-jährige Mädchen und Knaben aufhalten. Alle in Schuluniform: weisses Hemd und blaue Hosen, beziehungsweise blauer Rock. Die Jungs, teils in hellblauen, teils in dunkelblauen Jeans, wirken schon beinahe bunt. Geanil begrüsst die Klasse und bitten diese, uns – die Gäste aus Europa - zu begrüssen. Was nun folgt erinnert mich an amerikanische Spielfilme, in denen eine Schar SoldatInnen auf Kommando aufsteht und ein „good afternoon Sir“ schreit. Danach nehmen die Schüler wieder Platz und wir drängeln uns durch den schmalen Gang zu den beiden hinteren Schulzimmern. Der Begrüssungsvorgang wiederholt sich. Natürlich nicht mit „good afternoon“, aber einem „Bienvenidos ....“ oder so. Das Schulzimmer ist gelb und hellblau gestrichen, das Licht fällt durch ein vergittertes, an ein Gefängnis erinnerndes und zum Innenhof gerichtetes Fenster. Die Lehrerin sitzt vorne rechts in der Ecke. Die etwa fünfundzwanzig Kinder sitzen auf verschieden farbigen Stühlen, an denen vorne eine Schreibfläche in der Grösse von zwei A4-Seiten angebracht ist. Während ich im Klassenraum Christina suche, erzählt Geanil offenbar, wer wir sind und was wir hier tun. Sie stellt der Klasse die Frage – ja, soviel habe ich verstanden – „wer weiss, wo die Schweiz liegt?“. Sicher jedes dritte Kind hebt die Hand und schreit: „Yo“! Die Lehrerin lacht und schüttelt den Kopf. Offensichtlich ist die Schweiz im Geografieunterricht kein Thema.
„Wo ist Christina?“ fragt nun Geanil. Ein Mädchen mit Pausebacken in der hintersten Reihe steht auf und schaut etwas kritisch zu uns. Sie kommt nun nach vorne, begrüsst uns und muss sich, mit uns zusammen vor der Klasse stehend, fotografieren lassen. Das scheint ihr, aus welchen Gründen auch immer, allerdings Spass zu machen, strahlt sie doch mit der karibischen Sonne um die Wette. In der Zwischenzeit ist unbemerkt Christinas Mutter zu uns gestossen. Wir sagen „Hallo“ und gehen zusammen mit Christina und ihrer Mutter, sowie den drei Mitarbeiterinnen von Vision Mundial in den Vorraum. An der Wand hängen zwei grosse Micky-Maus-Figuren aus Plastik. Wir nehmen alle auf den kleinen Stühlen Platz. Es passt eigentlich nicht hierher, aber Melanie sagt genau in diesem Moment, dass ich sie mit meinen halb-langen Hosen an einen „Behinderten“ in ihrer Schulklasse erinnere; was für ein Gedankensprung! Wir erhalten nun die Gelegenheit, Fragen an Christina und an ihre Mutter zu richten. Geanil übersetzt ins Spanische und wieder zurück.
Aufgrund des bisher Erlebten fühlen wir uns alle irgendwie geschafft und müde; unsere Fragen fallen deshalb nicht wirklich kreativ aus. Wir erfahren dennoch, dass Christina aussergewöhnlich gerne zur Schule geht, viel und fleissig lernt, gerne zeichnet, eine kleine Schwester hat und hier in der Nähe wohnt. Die Gespräche wären bestimmt noch eindrücklicher und einfacher, könnten wir sie in Spanisch führen.
Aufgrund des bisher Erlebten fühlen wir uns alle irgendwie geschafft und müde; unsere Fragen fallen deshalb nicht wirklich kreativ aus. Wir erfahren dennoch, dass Christina aussergewöhnlich gerne zur Schule geht, viel und fleissig lernt, gerne zeichnet, eine kleine Schwester hat und hier in der Nähe wohnt. Die Gespräche wären bestimmt noch eindrücklicher und einfacher, könnten wir sie in Spanisch führen.
Wir haben ein paar Geschenke mitgebracht, uns dabei aber an die Empfehlungen von World Vision gehalten. Wir überreichen die Geschenke an Christina. Sie sitzt gespannt auf ihrem kleinen Stuhl und versucht nun, das Paket zu öffnen. Die Situation würde an Weihnachten erinnern, wäre da nicht die Tatsache, dass es bei einer Luftfeuchtigkeit von gegen hundert Prozent über dreissig Grad heiss ist.
Mit Freude entnimmt Christina dem Paket ein hübsches Sommerröckchen, welches selbst die anwesenden Damen zu entzücken vermag. Es passe einfach wunderbar zu Christina, meinen sie. Christina erhält noch weitere nützliche Geschenke, wie etwa eine Zeichnungsmappe, Blätter zum Ausmalen und viele Stifte. Auch für die Mutter haben wir einige nützliche Artikel mitgebracht. Christina steht auf und läuft auf mich zu, während Geanil erklärt, Christina wolle sich bei uns bedanken. Unser Patenkind umarmt mich, was nicht schwierig ist, da ich auf dem winzigen Stuhl praktisch auf dem Boden sitze, und gibt mir einen dicken Kuss. Das wiederholt sie mit einer erfrischenden Herzlichkeit bei der ganzen Familie.
Mit Freude entnimmt Christina dem Paket ein hübsches Sommerröckchen, welches selbst die anwesenden Damen zu entzücken vermag. Es passe einfach wunderbar zu Christina, meinen sie. Christina erhält noch weitere nützliche Geschenke, wie etwa eine Zeichnungsmappe, Blätter zum Ausmalen und viele Stifte. Auch für die Mutter haben wir einige nützliche Artikel mitgebracht. Christina steht auf und läuft auf mich zu, während Geanil erklärt, Christina wolle sich bei uns bedanken. Unser Patenkind umarmt mich, was nicht schwierig ist, da ich auf dem winzigen Stuhl praktisch auf dem Boden sitze, und gibt mir einen dicken Kuss. Das wiederholt sie mit einer erfrischenden Herzlichkeit bei der ganzen Familie.
Die Mutter bedankt sich herzlich für unsere finanzielle Hilfe. Dank unserer Unterstützung, so sagt sie, könne Christine hier die Schule besuchen und auch die medizinische Versorgung ihres Kindes sei damit gewährleistet. Ich bestätige, dass wir weiterhin mit Freude unsere Patenschaft aufrechterhalten werden. Diese fünfundvierzig Franken im Monat – so denke ich – sind gut eingesetzt und können bei uns an einem anderen Ort eingespart werden; vielleicht am Sonntag: Brot statt Butterzopf? Jetzt ist es Zeit für eine Foto-Session. Ich öffne das Gittertor und wir stellen uns alle vor dem Eingang der Schule auf.
Wir machen einige Fotos. Langsam wird Christina etwa ungeduldig, sie möchte wieder am Unterricht teilnehmen. Wir verabschieden uns von ihr, begleiten sie zurück ins Schulzimmer und macht noch ein Foto, als Christina an ihrem Platz sitzt.
Nun verabschieden wir uns auch von der Mutter und der Schulleiterin. Wir fahren den kurzen Weg zurück zum lokalen Projektbüro. Dabei fahren wir zum ersten Mal an zwei Jungs mit einem Skateboard vorbei, was Melanie zu einem Freudenschrei verleitet. Wo die wohl ihr Board und mit welchem Geld gekauft haben?
Hier, wo dieses Foto entstand, kommen wir nun zurück auf die „Hauptstrasse“. Ich hoffe, dass „Banca“ irgend etwas anderes als Bank heisst. Auf der grossen Tafel gleich nebenan steht „Auto repuestos“, was die Hoffnung nährt, dass hier die Banken nicht so aussehen. Etwa hundert Meter weiter vorne liegt auf der linken Strassenseite das lokale Projektbüro von Vision Mundial. Vor dem Büro muss ich den Wagen wenden; das dauert etwa so lange, wie im Feierabendverkehr von Zürich, wenn dort gleichzeitig das Tram, Taxis, Fussgänger und die Feuerwehr unterwegs sind. Die Betreuerin Rosalia und die Leiterin des Büros verlassen fluchtartig das Fahrzeug (he, ich bin doch total cool gefahren!) ohne sich richtig zu verabschieden. Wir winken den Beiden zu und machen uns mit Geanil auf den Rückweg.
Anmerkung: Vor unserer Abreise war ich verunsichert, ob es nicht an Voyeurismus grenzt, wenn wir mit der ganzen Familie hier auftauchen um ein „armes“ Kind zu sehen. Diese Bedenken wurden von World Vision Schweiz zu recht zerstreut. Man hat darauf hingewiesen, dass die Menschen vor Ort einen Besuch als Zeichen der Wertschätzung betrachten und sich deshalb sehr darüber freuen.
Während der Fahrt sprechen wir über die Eindrücke des Besuches. Ich übersetze hin und zurück, während ich gleichzeitig wieder meine ganze Konzentration benötige um im aufkommenden Feierabendverkehr nicht in eine Streifkollision verwickelt zu werden. Wir kommen an eine grosse Kreuzung. Geanil meint, wir würden nun besser einen anderen Weg fahren und bittet mich, links abzubiegen. Jetzt müsst Ihr einfach mal innehalten und versuchen, euch die Situation vorzustellen: Wir befinden uns auf einer vierspurigen Strasse, die nun eine sechsspurige kreuzt. Wie Ihr inzwischen wisst, heisst vierspurig aber sechsspurig und sechsspurig eben achtspurig. Und ich muss links rüber!? Und es hat weder eine Ampel, noch einen Polizisten, der den Verkehr regeln könnte (wäre auch sinnlos), noch irgend eine Markierung (wäre auch sinnlos) die einem das Einspuren erleichtern würde. Dank meiner Unerschrockenheit stehe ich recht schnell in der Mitte der Kreuzung und versuche nun, mich zu orientieren, wer hier nun eigentlich wo in welche Richtung fährt. Melanie, sonst eher zurückhaltend in der familiären Kommunikation (vor allem, wenn diese nichts mit „ihrer“ Musik zu tun haben) ruft entzückt: „Wow, ist das geil hier, die reinste Anarchie!“. Längst stressen mich solche Herausforderungen nicht mehr.
Die Verwunderung bleibt allerdings gross und ich frage Geanil – als ich wieder fahren kann – ob denn die Autofahrer hier über eine Fahrlizenz verfügen würden. „Ja natürlich“, mein sie, „die ist günstig zu kaufen“. Nach einer Denkpause stelle ich die logische Anschlussfrage, ob denn hier die Polizei irgendwelche Bussen ausspreche? „Ja, dass kann es geben“, erklärt sie, doch werde dann in der Regel ein Trinkgeld rübergeschoben und die Sache sei erledigt. Ich sage voreilig etwas von "Bananenrepublik" und bin mir dann nicht sicher, ob das Geanil vielleicht in den falschen Hals gekriegt hat, schliesslich ist sie Bürgerin dieser (Bananen-) Republik.
Wir kommen recht zügig voran, der eingeschlagene Weg scheint gut gewählt zu sein. Wir befinden uns nun auf einer mehrspurigen Zufahrtsstrasse zur Innenstadt. Auf der Spur ganz links hat es wiederholt Schächte mit Deckel drauf. Offensichtlich wurde die Strasse schon mehrere Male neu geteert, wobei aber die Schachtdeckel immer auf der gleichen Höhe blieben. Die so entstandenen, etwa fünfundzwanzig Zentimeter tiefen Löcher, sind an der Oberkante mit gelber Farbe markiert, daher gut sichtbar und auch bei zügiger Fahrt einfach zu umfahren. Weiter vorne wird es allerdings kritischer: Auf einer der mittleren Spuren hat es unmarkierte Schächte, bei denen – ich schwör's vor allen möglichen Geistern – einfach die Schachtdeckel fehlen! Tiefe Löcher, ja für eine Radachse geradezu Schluchten, öffnen sich alle fünfzig Meter - unfassbar! Der Gedanke, dass ich hier auf der Avenida las Americas die Achse unseres Mietwagens liegen lassen könnte, lässt mich erschaudern. Glücklicherweise habe ich nun schon ein paar Stunden Erfahrung im Löcher Erkennen und Umfahren. Wir kommen an eine weitere Kreuzung, dort, wo das „MEGA Centro“ liegt, das grösste Einkaufszentrum der Dominikanischen Republik. Ich stehe auf der dritten von vier Spuren. Vor mir sind zwei Autos. Sobald wir stillstehen umringen uns Verkäufer, die uns verschiedene Waren andrehen wollen, um sich dann, sobald die Ampel auf grün schaltet, gleich wieder zu verziehen. Ein leichtes Kopfschütteln genügt, so die bisherige Erfahrung, um unbehelligt zu bleiben. Das gilt auch für die Amigos, die sich anbieten, Frontscheiben zu reinigen. Einer dieser Freunde kommt leicht tänzelnd auf uns zu und klatscht uns einfach sein feuchtes Leder auf die Frontscheibe: Platsch, da klebt es. Blitzschnell überlege ich mir, was tun ist. Oh, mit dem Leder auf der Frontscheibe werde ich wohl nicht einfach weiterfahren können. Also werde ich unserem Amigo einfach schnell ein paar Pesos rüberschieben. Die Ampel schaltet auf grün. Ich greife in meine Brusttasche und ziehe einen Zwanzig-Peso-Schein raus. Der Amigo sieht das. Seine Augen glänzend wie an Heilig Abend die Weihnachtssterne, während er geradezu auf der breiten Frontscheibe klebt und diese wie wild zu reinigen beginnt. Die Autos vor mir sind bereits losgefahren, links und rechts geht's ebenfalls los, hinter mir hupt es -und ich stehe da, mit einem auf der Frontscheibe klebenden Amigo. Ich sehe irgendwie schwarz, und das darf man ruhig wörtlich nehmen. Ich lege den ersten Gang ein und öffne das Seitenfenster. Nach elend langen Sekunden schnappt sich der Amigo das Geld und ich fahre los, im Rückspiegel vergewissere ich mich, ob er jetzt nicht dabei ist, die Heckscheibe zu putzen. Wieder ermahne ich mich selbst, gefälligst auf die fehlenden Schachtdeckel zu achten. Geanil klärt mich darüber auf, dass die Scheibenklatscher für ihre Dienste normalerweise zwei, drei oder maximal fünf Pesos erhalten. Für meine zwanzig Pesos hätte uns der Amigo bestimmt die Scheiben auch während der Fahrt geputzt. Nebenbei: Zwanzig Pesos sind etwa siebzig US-Cents oder etwas mehr als ein Schweizerfranken. Wir überqueren wieder den Rio Ozama und fahren auf der Avenida 27 de Febrero, einer richtungsgetrennten Hochstrasse, nach Westen. Ich frage Geanil, ob der 27. Februar ein dominikanischer Feiertag sei. "Ja", sagt sie, "der Unabhängigkeitstag". Hm, auf der anderen Flussseite gibt es die Avenida 25 de Febrero: kam dort die Unabhängigkeit zwei Tage früher? Nach dem Fehlschlag mit der Bananenrepublik verkneife ich mir diese Frage. Wir nehmen eine Abfahrt von der Hochstrasse und sind in wenigen Minuten beim nationalen Büro von World Vision. Kurz zuvor passieren wir ein im Volksmund „Pinkhaus“ genanntes Regierungsgebäude. Es ist architektonisch dem Weissen Haus ähnlich, aber eben in einem rosa Farbton. Noch im Wagen füllen wir einen Fragebogen von World Vision aus. Ich bin zu müde um die Fragen detailliert zu beantworten, verspreche aber, später ein detailliertes Feedback zu geben. Was mit diesem Bericht hiermit, irgendwie, so mehr oder weniger erledigt ist.
Ich will Geanil nach dem Weg zum gebuchten Hotel Mercure zu fragen, denke dann aber, dass dies nicht nötig sei, schliesslich könne ich auf der Karte erkennen, dass der Weg nun wirklich einfach zu finden ist: wir müssten nur der Cesar Nicolas Penson folgen, bis wir zur Avenida 30 de Maryo (Anm.: hier kam die Unabhängigkeit wohl noch etwas später) kämen, dann rechts hinunter und wieder links in die Calle del Conde, wo unser Hotel liegt. Das ist zumindest die Theorie gemäss Stadtplan im Touristenführer. Ich tippe auf zehn Minuten Fahrzeit. Um aus einer langen eine kurze Geschichte zu machen: nach einer geschlagenen Stunde gebe ich es auf, weiter nach dem Hotel zu suchen... Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir das Hotel mehrmals umkreist haben, können es aber trotzdem nicht finden. Auch die ausführliche Erklärung einer Politesse, die ihren graziösen Handbewegungen nach zu schliessen weiss, wo das Hotel liegt, bringt uns dem (nahen) Ziel nicht näher. Nach einer zehnminütigen Rundreise sind wir wieder am Ausgangspunkt - und irgendwie froh, dass die Politesse nicht mehr hier steht. Ich überlege mir, ein Taxi als Vorfahrer zu chartern, kann aber nirgends eines sehen. Etwas weiter vorne halte ich an, drehe die Scheibe runter und mache ein verzweifelt fragendes Gesicht. Es wirkt: Ein älterer Herr kommt zu uns und fragt, ob er uns helfen könne. Jedenfalls vermute ich, er habe uns das gefragt. Eigentlich kann er gar nichts anderes gefragt haben. Bestimmt hat er nicht gefragt, ob wir unseren Hyundai lieber gelb lackiert haben wollen. „Hotel Mercure!“, sage ich mit immer noch fragendem Blick. Sein Versuch, uns den Weg zum Hotel zu erklären, quittiere ich mit einem unverändert verzweifelten Gesichtsausdruck. Er sieht meine Hoffnungslosigkeit und hat nun die selbe Glanzidee, die ich kurz zuvor hatte: Ein Taxi! Ich nicke ihm anerkennend zu während sich mein Gesicht aufhellt. Der nette Mann deutet uns, gefälligst hier zu warten und springt los. Nach zwei Minuten haben wir unseren Taxi. Taxi? Ach ja hier, das gelbe Taxi-Schild deutet schwach darauf hin. Die Autofarbe rostrot ist eine perfekte Tarnung für den Zustand seines Toyota. Trotzdem: wir sind erleichtert und folgen dem jungen Mann. Jedes Mal wenn wir links abbiegen müssen, streckt er seinen Arm aus dem Fenster; erst beim zweiten Abbiegen bemerke ich, dass er links gar keinen Blinker hat. Er macht seinen Job aber einwandfrei. Im Nu erreichen wir unser Hotel und wundern uns, dass wir diese eine Strasse nie ausprobiert haben. Ich gebe dem Fahrer fünf Dollar, was ihn offensichtlich befriedigt und in motiviert, weiterhin für uns tätig sein zu dürfen. Er offeriert mir deshalb ein paar Stadtrundfahrten und mehr. Ich bedanke mich und verspreche, bei Bedarf bei ihm am nahegelegenen Hafen vorbeizukommen. Wir beziehen unsere Hotelzimmer, duschen (juhu!) und ruhen uns vorerst eine Stunde aus.
Diese Zeit des Ausruhens will ich dazu benützen, um hier etwas klarzustellen. Mich nerven aufdringliche Verkäufer, seien es solche, die Waren oder solche, die Dienstleistungen anbieten. Ich bin sehr freiheitsliebend und treffe meine Entscheidungen gerne selber, und nicht aufgrund von mehr oder weniger sachten Druckversuchen. Ich wurde auch definitiv nicht dazu geboren, durch Shopping-Meilen zu flanieren. Dazu kommt, dass ich nicht gerne grosse, mir unbekannte Städte besuche. Ausnahmen sind da Oslo, Kopenhagen und San Diego. Die genannten Städte kenne ich von mehrmaligen und/oder längeren Aufenthalten wie meine Westentasche und fühle mich dort wohl oder gar ein wenig wie Zuhause. Nun, die oben genannten, in mir Unbehagen auslösenden Faktoren, kumulieren sich hier in Santo Domingo so stark, dass ich nicht um die Aussage komme; Es gefällt mir hier nicht besonders gut. Das musste zwischendurch mal gesagt werden. Die Ruhepause ist vorbei.
Unsere lokale Reiseleiterin in Punta Cana hat uns vorgeschwärmt, hier, in der Altstadt von Santo Domingo, der Zona Colonial, gäbe es viele hübsche Restaurants und Kneipen. Wir spazieren also die Fussgängerzone, die Calla del Conde, hinauf und wieder hinunter, in der Hoffnung, eines dieser hübschen Restaurants zu finden. Wir sehen allerdings nur Fastfood-Buden, Take-away's und einige billige Kneipen. Ich bin zu müde und zu hungrig für weitere Experimente, sodass wir auf mein Drängen hin wieder zurück zum Hotel spazieren: darin befindet sich ein internationales Restaurant. Das Essen ist ausgezeichnet, den Durst löschen wir mit reichlich Coke, Sprite und Bier. Beim Bezahlen der Rechnung bin ich erstaunt, dass wir für unsere fünfköpfige Familie gerade mal Fr. 42.- zu bezahlen haben. Und dies inklusive eines angemessenen Trinkgeldes. Wäre es etwas näher, würden wir jede Woche einmal hier Essen gehen. Nun ist es Zeit, schlafen zu gehen. Ein unvergesslicher Tag geht zu Ende. Zum Glück müssen wir nicht alle Eindrücke bereits in dieser Nacht verarbeiten.
Heute Mittwoch Morgen steht nun also die Rückreise an. Erneut erwarten uns vier Stunden Autofahrt. Am liebsten würde ich gleich losfahren um die Rückfahrt hinter mich zu bringen. Nicht mehr die Fahrt als solches, aber die Möglichkeit einer Panne oder einer Streifkollision verursachen trotz der inzwischen gewonnenen Routine eine leichte innere Unruhe. Nachdem ich geprüft habe, ob unser Hyundai noch vor dem Hotel steht, frühstücken wir gemütlich. Leider habe ich gestern Abend versprochen, dass wir heute noch ein wenig shoppen gehen würden. Man ist schliesslich kompromissbereit. Beim Verlassen des Hotels werden wir sofort angesprochen, ob wir ein Taxi benötigen. Natürlich nicht, sonst würden wir ja eines besteigen. Ich zeige auf unseren Minibus und sage in englischer Sprache, dass ich später dann selber fahren werde. Beim Vorbeispazieren sehe ich, dass beim linken hinteren Reifen etwas Luft fehlt. Ob das schon immer so war? Oder verliert der Reifen nun kontinuierlich Luft? Diese Frage begleitet mich beim Spaziergang auf der Calla del Conde, zumindest so lange, bis wir von einem lokalen „Reiseführer“ angesprochen werde. Er zeigt uns so etwas wie eine offizielle Marke und will uns die Schönheiten der Stadt erklären. Da wir erstens keine Zeit dafür haben und ich zweitens aufdringliche Menschen nicht leiden kann, erkläre ich ihm, dass wir gleich seine schöne Stadt verlassen würden. An diesem Punkt zeigt er sein wahres Interesse und versucht, uns mit allen Mitteln in den nahe gelegenen Touristenshop zu lotsen. Aufgrund der Sprachkenntnis all dieser Reiseführer, Strassen- und Strandverkäufer, kann man gut erkennen, welche Touristen interessante Kunden, beziehungsweise dankbare Opfer sind: Amerikaner und Deutsche! Do you speak English? Sprechen sie Deutsch? Oder auch mal: Kommen du aus Schwiiz? Ich wünschte mir, ich könnte lügen. „Jeg snakker bare norsk“, wäre ein möglicher Schwindel. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit spricht hier keiner norwegisch.
Wir spazieren wieder die Fussgängerzone hoch um in einem Laden einige Schmuckstücke für die Kinder zu kaufen. Diese, so stellen wir fest, kosten nur einen Bruchteil von dem, was man dafür am Strand von Punta Cana zahlt. Das Taschengeld ist hier also gut investiert.
Anmerkung: Vor unserer Abreise war ich verunsichert, ob es nicht an Voyeurismus grenzt, wenn wir mit der ganzen Familie hier auftauchen um ein „armes“ Kind zu sehen. Diese Bedenken wurden von World Vision Schweiz zu recht zerstreut. Man hat darauf hingewiesen, dass die Menschen vor Ort einen Besuch als Zeichen der Wertschätzung betrachten und sich deshalb sehr darüber freuen.
Während der Fahrt sprechen wir über die Eindrücke des Besuches. Ich übersetze hin und zurück, während ich gleichzeitig wieder meine ganze Konzentration benötige um im aufkommenden Feierabendverkehr nicht in eine Streifkollision verwickelt zu werden. Wir kommen an eine grosse Kreuzung. Geanil meint, wir würden nun besser einen anderen Weg fahren und bittet mich, links abzubiegen. Jetzt müsst Ihr einfach mal innehalten und versuchen, euch die Situation vorzustellen: Wir befinden uns auf einer vierspurigen Strasse, die nun eine sechsspurige kreuzt. Wie Ihr inzwischen wisst, heisst vierspurig aber sechsspurig und sechsspurig eben achtspurig. Und ich muss links rüber!? Und es hat weder eine Ampel, noch einen Polizisten, der den Verkehr regeln könnte (wäre auch sinnlos), noch irgend eine Markierung (wäre auch sinnlos) die einem das Einspuren erleichtern würde. Dank meiner Unerschrockenheit stehe ich recht schnell in der Mitte der Kreuzung und versuche nun, mich zu orientieren, wer hier nun eigentlich wo in welche Richtung fährt. Melanie, sonst eher zurückhaltend in der familiären Kommunikation (vor allem, wenn diese nichts mit „ihrer“ Musik zu tun haben) ruft entzückt: „Wow, ist das geil hier, die reinste Anarchie!“. Längst stressen mich solche Herausforderungen nicht mehr.
Die Verwunderung bleibt allerdings gross und ich frage Geanil – als ich wieder fahren kann – ob denn die Autofahrer hier über eine Fahrlizenz verfügen würden. „Ja natürlich“, mein sie, „die ist günstig zu kaufen“. Nach einer Denkpause stelle ich die logische Anschlussfrage, ob denn hier die Polizei irgendwelche Bussen ausspreche? „Ja, dass kann es geben“, erklärt sie, doch werde dann in der Regel ein Trinkgeld rübergeschoben und die Sache sei erledigt. Ich sage voreilig etwas von "Bananenrepublik" und bin mir dann nicht sicher, ob das Geanil vielleicht in den falschen Hals gekriegt hat, schliesslich ist sie Bürgerin dieser (Bananen-) Republik.
Wir kommen recht zügig voran, der eingeschlagene Weg scheint gut gewählt zu sein. Wir befinden uns nun auf einer mehrspurigen Zufahrtsstrasse zur Innenstadt. Auf der Spur ganz links hat es wiederholt Schächte mit Deckel drauf. Offensichtlich wurde die Strasse schon mehrere Male neu geteert, wobei aber die Schachtdeckel immer auf der gleichen Höhe blieben. Die so entstandenen, etwa fünfundzwanzig Zentimeter tiefen Löcher, sind an der Oberkante mit gelber Farbe markiert, daher gut sichtbar und auch bei zügiger Fahrt einfach zu umfahren. Weiter vorne wird es allerdings kritischer: Auf einer der mittleren Spuren hat es unmarkierte Schächte, bei denen – ich schwör's vor allen möglichen Geistern – einfach die Schachtdeckel fehlen! Tiefe Löcher, ja für eine Radachse geradezu Schluchten, öffnen sich alle fünfzig Meter - unfassbar! Der Gedanke, dass ich hier auf der Avenida las Americas die Achse unseres Mietwagens liegen lassen könnte, lässt mich erschaudern. Glücklicherweise habe ich nun schon ein paar Stunden Erfahrung im Löcher Erkennen und Umfahren. Wir kommen an eine weitere Kreuzung, dort, wo das „MEGA Centro“ liegt, das grösste Einkaufszentrum der Dominikanischen Republik. Ich stehe auf der dritten von vier Spuren. Vor mir sind zwei Autos. Sobald wir stillstehen umringen uns Verkäufer, die uns verschiedene Waren andrehen wollen, um sich dann, sobald die Ampel auf grün schaltet, gleich wieder zu verziehen. Ein leichtes Kopfschütteln genügt, so die bisherige Erfahrung, um unbehelligt zu bleiben. Das gilt auch für die Amigos, die sich anbieten, Frontscheiben zu reinigen. Einer dieser Freunde kommt leicht tänzelnd auf uns zu und klatscht uns einfach sein feuchtes Leder auf die Frontscheibe: Platsch, da klebt es. Blitzschnell überlege ich mir, was tun ist. Oh, mit dem Leder auf der Frontscheibe werde ich wohl nicht einfach weiterfahren können. Also werde ich unserem Amigo einfach schnell ein paar Pesos rüberschieben. Die Ampel schaltet auf grün. Ich greife in meine Brusttasche und ziehe einen Zwanzig-Peso-Schein raus. Der Amigo sieht das. Seine Augen glänzend wie an Heilig Abend die Weihnachtssterne, während er geradezu auf der breiten Frontscheibe klebt und diese wie wild zu reinigen beginnt. Die Autos vor mir sind bereits losgefahren, links und rechts geht's ebenfalls los, hinter mir hupt es -und ich stehe da, mit einem auf der Frontscheibe klebenden Amigo. Ich sehe irgendwie schwarz, und das darf man ruhig wörtlich nehmen. Ich lege den ersten Gang ein und öffne das Seitenfenster. Nach elend langen Sekunden schnappt sich der Amigo das Geld und ich fahre los, im Rückspiegel vergewissere ich mich, ob er jetzt nicht dabei ist, die Heckscheibe zu putzen. Wieder ermahne ich mich selbst, gefälligst auf die fehlenden Schachtdeckel zu achten. Geanil klärt mich darüber auf, dass die Scheibenklatscher für ihre Dienste normalerweise zwei, drei oder maximal fünf Pesos erhalten. Für meine zwanzig Pesos hätte uns der Amigo bestimmt die Scheiben auch während der Fahrt geputzt. Nebenbei: Zwanzig Pesos sind etwa siebzig US-Cents oder etwas mehr als ein Schweizerfranken. Wir überqueren wieder den Rio Ozama und fahren auf der Avenida 27 de Febrero, einer richtungsgetrennten Hochstrasse, nach Westen. Ich frage Geanil, ob der 27. Februar ein dominikanischer Feiertag sei. "Ja", sagt sie, "der Unabhängigkeitstag". Hm, auf der anderen Flussseite gibt es die Avenida 25 de Febrero: kam dort die Unabhängigkeit zwei Tage früher? Nach dem Fehlschlag mit der Bananenrepublik verkneife ich mir diese Frage. Wir nehmen eine Abfahrt von der Hochstrasse und sind in wenigen Minuten beim nationalen Büro von World Vision. Kurz zuvor passieren wir ein im Volksmund „Pinkhaus“ genanntes Regierungsgebäude. Es ist architektonisch dem Weissen Haus ähnlich, aber eben in einem rosa Farbton. Noch im Wagen füllen wir einen Fragebogen von World Vision aus. Ich bin zu müde um die Fragen detailliert zu beantworten, verspreche aber, später ein detailliertes Feedback zu geben. Was mit diesem Bericht hiermit, irgendwie, so mehr oder weniger erledigt ist.
Ich will Geanil nach dem Weg zum gebuchten Hotel Mercure zu fragen, denke dann aber, dass dies nicht nötig sei, schliesslich könne ich auf der Karte erkennen, dass der Weg nun wirklich einfach zu finden ist: wir müssten nur der Cesar Nicolas Penson folgen, bis wir zur Avenida 30 de Maryo (Anm.: hier kam die Unabhängigkeit wohl noch etwas später) kämen, dann rechts hinunter und wieder links in die Calle del Conde, wo unser Hotel liegt. Das ist zumindest die Theorie gemäss Stadtplan im Touristenführer. Ich tippe auf zehn Minuten Fahrzeit. Um aus einer langen eine kurze Geschichte zu machen: nach einer geschlagenen Stunde gebe ich es auf, weiter nach dem Hotel zu suchen... Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir das Hotel mehrmals umkreist haben, können es aber trotzdem nicht finden. Auch die ausführliche Erklärung einer Politesse, die ihren graziösen Handbewegungen nach zu schliessen weiss, wo das Hotel liegt, bringt uns dem (nahen) Ziel nicht näher. Nach einer zehnminütigen Rundreise sind wir wieder am Ausgangspunkt - und irgendwie froh, dass die Politesse nicht mehr hier steht. Ich überlege mir, ein Taxi als Vorfahrer zu chartern, kann aber nirgends eines sehen. Etwas weiter vorne halte ich an, drehe die Scheibe runter und mache ein verzweifelt fragendes Gesicht. Es wirkt: Ein älterer Herr kommt zu uns und fragt, ob er uns helfen könne. Jedenfalls vermute ich, er habe uns das gefragt. Eigentlich kann er gar nichts anderes gefragt haben. Bestimmt hat er nicht gefragt, ob wir unseren Hyundai lieber gelb lackiert haben wollen. „Hotel Mercure!“, sage ich mit immer noch fragendem Blick. Sein Versuch, uns den Weg zum Hotel zu erklären, quittiere ich mit einem unverändert verzweifelten Gesichtsausdruck. Er sieht meine Hoffnungslosigkeit und hat nun die selbe Glanzidee, die ich kurz zuvor hatte: Ein Taxi! Ich nicke ihm anerkennend zu während sich mein Gesicht aufhellt. Der nette Mann deutet uns, gefälligst hier zu warten und springt los. Nach zwei Minuten haben wir unseren Taxi. Taxi? Ach ja hier, das gelbe Taxi-Schild deutet schwach darauf hin. Die Autofarbe rostrot ist eine perfekte Tarnung für den Zustand seines Toyota. Trotzdem: wir sind erleichtert und folgen dem jungen Mann. Jedes Mal wenn wir links abbiegen müssen, streckt er seinen Arm aus dem Fenster; erst beim zweiten Abbiegen bemerke ich, dass er links gar keinen Blinker hat. Er macht seinen Job aber einwandfrei. Im Nu erreichen wir unser Hotel und wundern uns, dass wir diese eine Strasse nie ausprobiert haben. Ich gebe dem Fahrer fünf Dollar, was ihn offensichtlich befriedigt und in motiviert, weiterhin für uns tätig sein zu dürfen. Er offeriert mir deshalb ein paar Stadtrundfahrten und mehr. Ich bedanke mich und verspreche, bei Bedarf bei ihm am nahegelegenen Hafen vorbeizukommen. Wir beziehen unsere Hotelzimmer, duschen (juhu!) und ruhen uns vorerst eine Stunde aus.
Diese Zeit des Ausruhens will ich dazu benützen, um hier etwas klarzustellen. Mich nerven aufdringliche Verkäufer, seien es solche, die Waren oder solche, die Dienstleistungen anbieten. Ich bin sehr freiheitsliebend und treffe meine Entscheidungen gerne selber, und nicht aufgrund von mehr oder weniger sachten Druckversuchen. Ich wurde auch definitiv nicht dazu geboren, durch Shopping-Meilen zu flanieren. Dazu kommt, dass ich nicht gerne grosse, mir unbekannte Städte besuche. Ausnahmen sind da Oslo, Kopenhagen und San Diego. Die genannten Städte kenne ich von mehrmaligen und/oder längeren Aufenthalten wie meine Westentasche und fühle mich dort wohl oder gar ein wenig wie Zuhause. Nun, die oben genannten, in mir Unbehagen auslösenden Faktoren, kumulieren sich hier in Santo Domingo so stark, dass ich nicht um die Aussage komme; Es gefällt mir hier nicht besonders gut. Das musste zwischendurch mal gesagt werden. Die Ruhepause ist vorbei.
Unsere lokale Reiseleiterin in Punta Cana hat uns vorgeschwärmt, hier, in der Altstadt von Santo Domingo, der Zona Colonial, gäbe es viele hübsche Restaurants und Kneipen. Wir spazieren also die Fussgängerzone, die Calla del Conde, hinauf und wieder hinunter, in der Hoffnung, eines dieser hübschen Restaurants zu finden. Wir sehen allerdings nur Fastfood-Buden, Take-away's und einige billige Kneipen. Ich bin zu müde und zu hungrig für weitere Experimente, sodass wir auf mein Drängen hin wieder zurück zum Hotel spazieren: darin befindet sich ein internationales Restaurant. Das Essen ist ausgezeichnet, den Durst löschen wir mit reichlich Coke, Sprite und Bier. Beim Bezahlen der Rechnung bin ich erstaunt, dass wir für unsere fünfköpfige Familie gerade mal Fr. 42.- zu bezahlen haben. Und dies inklusive eines angemessenen Trinkgeldes. Wäre es etwas näher, würden wir jede Woche einmal hier Essen gehen. Nun ist es Zeit, schlafen zu gehen. Ein unvergesslicher Tag geht zu Ende. Zum Glück müssen wir nicht alle Eindrücke bereits in dieser Nacht verarbeiten.
Heute Mittwoch Morgen steht nun also die Rückreise an. Erneut erwarten uns vier Stunden Autofahrt. Am liebsten würde ich gleich losfahren um die Rückfahrt hinter mich zu bringen. Nicht mehr die Fahrt als solches, aber die Möglichkeit einer Panne oder einer Streifkollision verursachen trotz der inzwischen gewonnenen Routine eine leichte innere Unruhe. Nachdem ich geprüft habe, ob unser Hyundai noch vor dem Hotel steht, frühstücken wir gemütlich. Leider habe ich gestern Abend versprochen, dass wir heute noch ein wenig shoppen gehen würden. Man ist schliesslich kompromissbereit. Beim Verlassen des Hotels werden wir sofort angesprochen, ob wir ein Taxi benötigen. Natürlich nicht, sonst würden wir ja eines besteigen. Ich zeige auf unseren Minibus und sage in englischer Sprache, dass ich später dann selber fahren werde. Beim Vorbeispazieren sehe ich, dass beim linken hinteren Reifen etwas Luft fehlt. Ob das schon immer so war? Oder verliert der Reifen nun kontinuierlich Luft? Diese Frage begleitet mich beim Spaziergang auf der Calla del Conde, zumindest so lange, bis wir von einem lokalen „Reiseführer“ angesprochen werde. Er zeigt uns so etwas wie eine offizielle Marke und will uns die Schönheiten der Stadt erklären. Da wir erstens keine Zeit dafür haben und ich zweitens aufdringliche Menschen nicht leiden kann, erkläre ich ihm, dass wir gleich seine schöne Stadt verlassen würden. An diesem Punkt zeigt er sein wahres Interesse und versucht, uns mit allen Mitteln in den nahe gelegenen Touristenshop zu lotsen. Aufgrund der Sprachkenntnis all dieser Reiseführer, Strassen- und Strandverkäufer, kann man gut erkennen, welche Touristen interessante Kunden, beziehungsweise dankbare Opfer sind: Amerikaner und Deutsche! Do you speak English? Sprechen sie Deutsch? Oder auch mal: Kommen du aus Schwiiz? Ich wünschte mir, ich könnte lügen. „Jeg snakker bare norsk“, wäre ein möglicher Schwindel. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit spricht hier keiner norwegisch.
Wir spazieren wieder die Fussgängerzone hoch um in einem Laden einige Schmuckstücke für die Kinder zu kaufen. Diese, so stellen wir fest, kosten nur einen Bruchteil von dem, was man dafür am Strand von Punta Cana zahlt. Das Taschengeld ist hier also gut investiert.
Die Mutter möchte zwar gerne noch den einen oder anderen Shop besuchen (bestimmt würde sie hier den ganzen Tag gut überleben) doch zum Glück bekomme ich unerwartet Schützenhilfe von den Kindern, die wie ich gerne nach Punta Cana zurück fahren möchten. Wir gehen deshalb wieder zum Hotel, checken aus und besteigen unseren blauen Hyundai. Ich prüfe nochmals das linke Hinterrad und stelle beruhigt fest, dass sich der Luftdruck nicht verändert hat. Er ist nicht optimal, aber in Ordnung. Selbstverständlich habe ich meine kleine Karte genau studiert, damit ich wieder aus der Stadt herausfinde.
Obwohl ich – wenn auch unfreiwillig - bereits einige Runden in der Stadt gedreht habe, bin ich mir aufgrund meines doch recht guten Orientierungssinns sicher, den richtigen Weg zu finden. Vielleicht nicht gleich auf Anhieb, aber früher oder später bestimmt. Mein Plan geht auf: Ich finde die Brücke über den Rio Ozama und fahre in südlicher Richtung. Endlich sehe ich an einer Strassenteilung ein etwas zerknittertes Schild, welches zum Aeropuerto weisst. Ich befolge diesen Hinweis und gerate in einen ärmlichen Stadtteil, durch den wir – und da bin ich mir ganz sicher – auf der Hinreise nicht gefahren sind. Die Strasse führt leicht aufwärts und schlängelt sich durch die Häuserreihen. Die Himmelsrichtung stimmt und ich folge der Strasse, obwohl ich mich nach der Autobahn sehne, die hier irgendwo sein muss. Die Strasse führt nun schnurgerade durch die Gegend und verliert sich in der Ferne. Wir kommen an eine Ampel. Es ist die Ampel, zu der wir zwanzig Minuten später - nach unserem eingangs erwähnten Erlebnis mit der Militärpolizei – wieder zurückkehren werden.
Schlussteil:
Nun, wir befolgen die Empfehlung der "Obrigkeit", fahren nach links - und ich kann – Gott sei Dank – weit unten das Meer erkennen. Mein Hirn meldet das Resultat seiner Kombinationskunst: Wir sind hier, das Meer ist dort, die Autobahn führt entlang dem Meer - juhu, da unten ist die Autobahn! In der Tat: sogar ein Wegweiser zeigt rechts nach Santo Domingo und links zum Flughafen. Ich entscheide mich, NICHT in Richtung Santo Domingo zu fahren. Zuerst führt eine Brücke über die Autobahn und dann eine Strasse in einem Kreis runter auf sie zu. Unter der Brücke eine Bushaltestelle: Vielleicht vierzig Personen mit viel Gepäck, Busse und Autos stehen hier und es herrscht ein emsiges Ein-, Um- und Aussteigen. Scheint eine Art Busbahnhof zu sein, hier an der Autobahn. Ich beschleunige, wähle mir eine Fahrspur aus und entspanne mich. Auch unsere drei Kinder machen sich’s im Wagen bequem, lassen alle Sitze runter und dösen vor sich hin.
Obwohl ich – wenn auch unfreiwillig - bereits einige Runden in der Stadt gedreht habe, bin ich mir aufgrund meines doch recht guten Orientierungssinns sicher, den richtigen Weg zu finden. Vielleicht nicht gleich auf Anhieb, aber früher oder später bestimmt. Mein Plan geht auf: Ich finde die Brücke über den Rio Ozama und fahre in südlicher Richtung. Endlich sehe ich an einer Strassenteilung ein etwas zerknittertes Schild, welches zum Aeropuerto weisst. Ich befolge diesen Hinweis und gerate in einen ärmlichen Stadtteil, durch den wir – und da bin ich mir ganz sicher – auf der Hinreise nicht gefahren sind. Die Strasse führt leicht aufwärts und schlängelt sich durch die Häuserreihen. Die Himmelsrichtung stimmt und ich folge der Strasse, obwohl ich mich nach der Autobahn sehne, die hier irgendwo sein muss. Die Strasse führt nun schnurgerade durch die Gegend und verliert sich in der Ferne. Wir kommen an eine Ampel. Es ist die Ampel, zu der wir zwanzig Minuten später - nach unserem eingangs erwähnten Erlebnis mit der Militärpolizei – wieder zurückkehren werden.
Schlussteil:
Nun, wir befolgen die Empfehlung der "Obrigkeit", fahren nach links - und ich kann – Gott sei Dank – weit unten das Meer erkennen. Mein Hirn meldet das Resultat seiner Kombinationskunst: Wir sind hier, das Meer ist dort, die Autobahn führt entlang dem Meer - juhu, da unten ist die Autobahn! In der Tat: sogar ein Wegweiser zeigt rechts nach Santo Domingo und links zum Flughafen. Ich entscheide mich, NICHT in Richtung Santo Domingo zu fahren. Zuerst führt eine Brücke über die Autobahn und dann eine Strasse in einem Kreis runter auf sie zu. Unter der Brücke eine Bushaltestelle: Vielleicht vierzig Personen mit viel Gepäck, Busse und Autos stehen hier und es herrscht ein emsiges Ein-, Um- und Aussteigen. Scheint eine Art Busbahnhof zu sein, hier an der Autobahn. Ich beschleunige, wähle mir eine Fahrspur aus und entspanne mich. Auch unsere drei Kinder machen sich’s im Wagen bequem, lassen alle Sitze runter und dösen vor sich hin.
Wir fahren am internationalen Flughafen vorbei und dann den uns jetzt bekannten Weg in Richtung La Romana und Higũey. Es herrscht wenig Verkehr und das einzig Erwähnenswerte ist ein auf der Überholspur liegendes Eisenprofil, das einen Autoreifen wohl bestimmt aufschlitzen könnte. Aber was heisst da Überholspur? Beide Spuren sind Überholspuren; hat man die Spur einmal gewählt, bleibt man dort, bis man erneut überholen muss. Praktisch, einfach, sicher!
Rechts von uns, gegen das Landesinnere hin, ist der Himmel pech-schwarz, vor uns in Fahrtrichtung, hat es allerdings nur ein paar vereinzelte Wölkchen. Zwei Mal sehe ich einen Blitz, der aus heiterem Himmel zur Erde fährt. Ein dumpfes Grollen begleitet dieses Phänomen. Und ich dachte immer der Begriff
„ein Blitz aus heiterem Himmel“, stamme aus der Sagenwelt.
In La Romana decken wir uns nochmals mit Getränken ein und fahren weiter in Richtung Higũey. Der Himmel hat sich in der Zwischenzeit vollends mit schwarzen Wolken überzogen. Die Mutter macht sich Sorgen, dass das Fotografieren der Zuckerrohrfelder nicht gelingen könnte. Ich wende ein, dass auch Fotos mit dem Hintergrund schwarzer Wolken schön sein können. Zudem bin in der Ansicht, ein Zuckerrohrfeld sehe sowieso langweilig aus, egal, ob der Himmel dahinter blau oder schwarz ist. Er ist schwarz.
Rechts von uns, gegen das Landesinnere hin, ist der Himmel pech-schwarz, vor uns in Fahrtrichtung, hat es allerdings nur ein paar vereinzelte Wölkchen. Zwei Mal sehe ich einen Blitz, der aus heiterem Himmel zur Erde fährt. Ein dumpfes Grollen begleitet dieses Phänomen. Und ich dachte immer der Begriff
„ein Blitz aus heiterem Himmel“, stamme aus der Sagenwelt.
In La Romana decken wir uns nochmals mit Getränken ein und fahren weiter in Richtung Higũey. Der Himmel hat sich in der Zwischenzeit vollends mit schwarzen Wolken überzogen. Die Mutter macht sich Sorgen, dass das Fotografieren der Zuckerrohrfelder nicht gelingen könnte. Ich wende ein, dass auch Fotos mit dem Hintergrund schwarzer Wolken schön sein können. Zudem bin in der Ansicht, ein Zuckerrohrfeld sehe sowieso langweilig aus, egal, ob der Himmel dahinter blau oder schwarz ist. Er ist schwarz.
Kurz darauf beginnt es zu regnen. Als wir Higũey erreichen, regnet's noch immer, was zumindest den Vorteil hat, dass ein paar Roller weniger die Strasse verstopfen. Es herrscht eine eigenartige Stimmung in der Stadt. Ich kann nicht erklären wieso. Am Stadtrand angekommen, regnet es derart heftig, dass man an eine Sintflut denkt. Gerne würden wir in einen grossen Souvenirshops gehen; wir fahren vor, doch es ist kaum möglich, das Auto zu verlassen: Es regnet nicht nur, es kübelt. Einige Jungs stehen unter dem Vordach und können nicht verstehen, was wir hier im Auto sitzend tun. Fünf Minuten sind vergangen und noch immer ist keine Besserung in Sicht. Ich versuche nun, das Auto so hinzustellen, dass die Familie mit einem Sprung in den Laden hüpfen kann. Der Shopbesitzer riecht fette Beute und will uns dabei helfen. Dazu nimmt er ein grosses Gemälde – bemalte Seite nach oben – und benützt es wie ein Regenschirm. Womit bewiesen wäre, dass einige Maler wasserfeste Farbe benützen. Als Regenschutz trage ich lediglich eine blaue Baseball-Mütze mit der Aufschrift "Eurocard". Diese erweckt bei den Jungs grosses Interesse - schwups, und schon habe ich sie verschenkt. Der etwa 11-Jährige zeigt riesige Freude und seine fünf Kumpels versuchen nun auch, etwas von mir zu erhalten. Derjenige mit der Eurocard-Mütze deutet mir aus dem Hintergrund mit deutlichen Handzeichen an, ich solle den anderen ja nichts geben. Also!
Im Laden bezahle ich mit Visa. Als ehemaliger Sammler von US-Autonummern, fällt mir auf, dass es hier bemalte Original-Nummern der Dominikanischen Republik zu kaufen gibt. Diese Gelegenheit lass ich mir nicht entgehen.
Bald verlassen wir den Shop und die leer ausgegangen Jungs betteln wieder. Ich habe noch einige Pesos übrig, die ich dem am nächsten Stehenden gebe. Jetzt muss ich aber schleunigst ins Auto flüchten: zu gierig und zu aufdringlich werden mir die Jungs. Es regnet noch immer, wenn auch weniger stark als vorher. Wir fahren in Richtung Punta Cana. Nun wird es immer heller, je näher wir zum Hotel kommen, schliesslich hört es ganz zu regnen auf. Noch einmal müssen wir eine dieser Lochpisten hinter uns bringen, bevor wir die Vermietstation erreichen und dort unseren Hyundai parken können. Der Vermieter sucht verzweifelt nach neuen Kratzern, kann aber keine finden. Wir werden zurück zum Hotel gefahren und lassen uns dort erst mal in den Swimmingpool fallen, schliesslich scheint jetzt wieder die Sonne. Im Whirlpool versuche ich dann, das Erlebte zu verarbeiten. Ich bin glücklich, ohne ernsthafte Probleme die Reise nach Santo Domingo gemeistert zu haben. Ein ehrlich gemeintes „Gott sei Dank“ ist angebracht. Das Wasser im Whirlpool blubbert.
Jürgen Rathgeb
November 2003
Ein Dankeschön an Hugo Weyermann für seine Unterstützung
Im Laden bezahle ich mit Visa. Als ehemaliger Sammler von US-Autonummern, fällt mir auf, dass es hier bemalte Original-Nummern der Dominikanischen Republik zu kaufen gibt. Diese Gelegenheit lass ich mir nicht entgehen.
Bald verlassen wir den Shop und die leer ausgegangen Jungs betteln wieder. Ich habe noch einige Pesos übrig, die ich dem am nächsten Stehenden gebe. Jetzt muss ich aber schleunigst ins Auto flüchten: zu gierig und zu aufdringlich werden mir die Jungs. Es regnet noch immer, wenn auch weniger stark als vorher. Wir fahren in Richtung Punta Cana. Nun wird es immer heller, je näher wir zum Hotel kommen, schliesslich hört es ganz zu regnen auf. Noch einmal müssen wir eine dieser Lochpisten hinter uns bringen, bevor wir die Vermietstation erreichen und dort unseren Hyundai parken können. Der Vermieter sucht verzweifelt nach neuen Kratzern, kann aber keine finden. Wir werden zurück zum Hotel gefahren und lassen uns dort erst mal in den Swimmingpool fallen, schliesslich scheint jetzt wieder die Sonne. Im Whirlpool versuche ich dann, das Erlebte zu verarbeiten. Ich bin glücklich, ohne ernsthafte Probleme die Reise nach Santo Domingo gemeistert zu haben. Ein ehrlich gemeintes „Gott sei Dank“ ist angebracht. Das Wasser im Whirlpool blubbert.
Jürgen Rathgeb
November 2003
Ein Dankeschön an Hugo Weyermann für seine Unterstützung